Dennis Pausch: „Die Meinungsfreiheit der Römischen Republik ging stets mit Schmähfreiheit einher“
Von der Antike herrscht bis heute oft ein verklärtes Bild. Der Philologe Dennis Pausch zeigt in seinem neuen Buch jedoch, wie robust zu Ciceros Zeiten diskutiert und beleidigt wurde. Im Interview erklärt er, warum Beschimpfungen in Athen und Rom so allgegenwärtig waren – und welche bemerkenswerten Parallelen es dabei zur Gegenwart gibt.
Herr Pausch, gerade in Deutschland herrscht ja bisweilen immer noch ein idealisiertes Bild der Antike, das Johann Joachim Winkelmanns bekannter Formel von „edler Einfalt und stiller Größe“ folgt. Ihr Buch Virtuose Niedertracht – die Kunst der Beleidigung in der Antike setzt dazu einen Kontrapunkt. Immerhin analysieren Sie eine Vielzahl von Beleidigungen, die so gar nicht zu der verklärten Vorstellung der Antike passen. In einer Invektive Ciceros heißt es etwa: „du Stück Kot, du Schandfleck: Die Familie deines Vaters hast du vergessen, an die deiner Mutter kannst du dich kaum erinnern“; in einer Schmährede Catulls wiederum: „Ich werde euch in den Arsch ficken und in den Mund, dich, Schwuchtel Aurelius, und dich, Tunte Furius“.
Blickt man als klassischer Philologe in die Forschungsgeschichte, gibt es viele Texte, die seit Jahrhunderten bearbeitet werden. Da ist man ganz froh, etwas zu finden, wozu es noch nicht so viel gibt – und das sind oft die abseitigeren Aspekte der Antike. Stellt man indes die Frage, warum wir überhaupt so oft ein Bild der Antike haben, in denen solche Aspekte nicht vorkommen, spielt hier zum einen die Verherrlichung im Zuge des Klassizismus eine wichtige Rolle. Hinzu kommt aber noch, dass heute alle Fächer, die um Aufmerksamkeit kämpfen, diese auch positiv darzustellen bemüht sind. Wobei sich in diesem Kontext direkt auch weitere Fragen anschließen, die für meine Arbeit wichtig sind: Müssen Schmähungen und Herabsetzungen unbedingt negativ verstanden werden? Oder ließen sie sich auch als positiver Aspekt dieser Kultur verstehen? Heute empfinden wir Beleidigungen problematisch, aber in der langen Rezeptionsgeschichte der Antike findet man auch Phasen, in denen diese satirische Komponente als etwas sehr Positives empfunden wurde. Und auch in der Antike selbst zeigt sich eine Ambivalenz. Oft sind es dieselben Denker, die Schmähungen auf der theoretischen Ebene zwar ablehnen, sie auf der praktischen jedoch intensiv nutzen. Cicero ist dafür ein gutes Beispiel. Das idealisierte Bild der Antike, das wir heute bisweilen noch pflegen, ähnelt also gewissermaßen jenem, das viele in der Antike von sich selbst hatten.
Sie zitieren Cicero auch mit seiner Zeitdiagnose, „in tam maledica civitate“ zu leben, also in einer Zeit voller Beleidigungen und übler Nachreden. Diese scheinen vor allem aus zwei Bereichen zu stammen. Zum einen aus einer Alltagssprache, von der heute noch Graffiti zeugen, auf denen es beispielsweise „Albanus ist eine Schwuchtel“ oder „Oppius, du Pausenclown“ heißt. Zum anderen finden sich Schmähungen aber auch in der Rhetorikausbildung.
Ja, beides muss nebeneinander existiert haben und miteinander verschränkt gewesen sein. Dass Invektive, also Schmähungen und Beleidigungen, den Alltag prägen, ist uns ja nicht fremd. Früher waren die Medien dafür Hauswände, heute findet sich derlei vor allem in Internet. Das scheint also eine Konstante – ebenso wie die Klage darüber, man würde in einer besonders rücksichtslosen und enthemmten Zeit leben. Einen Unterschied zur Antike findet sich jedoch darin, dass Beleidigungen dort auch Teil der rhetorischen Ausbildung waren. Es ist nicht der prominenteste Part, zieht sich jedoch durch die erhaltenen Lehrwerke hindurch. Denn in den Handbüchern der Rhetorik sind nicht nur Lob-, sondern eben auch Tadelreden feste Bestandteile. Bei allen, die eine höhere Ausbildung durchliefen, gab es in dieser Hinsicht demnach ein technisches Know-how, man beherrschte die entsprechenden Topoi und Techniken und praktizierte Übungsreden, sodass es ein großes Erfahrungswissen in puncto Beleidigungen gegeben haben muss.
Und was bedeutete das für den Alltag?
Das ist die Frage: Wie gingen alle drei Seiten – die Beleidigenden, die Beleidigten und das Publikum – damit um, dass solche Schmähungspraktiken nach den Regeln des Schulbuchs geschahen? Bekamen die Herabsetzungen dadurch eine abgeschwächte Wirkung, weil viele Menschen sie eben schon kannten? Oder haben sie sogar mehr Wucht entfaltet, weil die Beleidigungen so virtuos beherrscht wurden und man, um damit besonders aufzufallen, stets auch über das Schulbuchwissen hinausgehen und andere übertreffen musste? Das ist aus heutiger Sicht schwierig nachzuvollziehen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch en passant auch, wie inszenierungsintensiv antike Kulturen waren. Ob bei Gerichtsverhandlungen oder politischen Reden: All das hatte eine starke theatrale Dimension, sodass der besonders publikumswirksamen Art des Vortrags eine entscheidende Rolle zukam, was Beleidigungen dann wiederum eine buchstäbliche Bühne geboten hat.
Wir wissen viel über die rhetorische Ausbildung aus Büchern, aber in diesen wird auch immer wieder betont, dass das Wichtige die actio sei, also die Performance. Deshalb war die Ausbildung auch so praxisorientiert: Es ging nicht nur um Inhalte, sondern ebenso um die Art der Präsentation. Und das erklärt in gewisser Hinsicht auch ein weiteres, eigentümliches Phänomen, nämlich die Tatsache, dass die Akteure auf der politischen Bühne nach Beleidigungen oft unbeschadet weiter machen konnten. Und zwar sowohl hinsichtlich ihres öffentlichen Ansehens, als auch in Bezug auf das Verhältnis zu ihrem Beleidiger. Es gibt zwar Gegenbeispiele, wo durch Herabsetzungen echte Feindschaften entstanden, oft hat man jedoch den Eindruck, am Ende habe jeder seine Rolle gespielt – und danach konnte man wieder ein normales professionelles Verhältnis miteinander pflegen.
Es scheint in diesem Zusammenhang auch eine kompensationstheoretische Komponente zu geben. Sie erwähnen im Buch etwa das Ritual des Triumphzuges. Sind siegreiche Truppen nach Hause zurückgekehrt, war es üblich, Spott und Herabsetzungen über den Feldherrn auszugießen – gewissermaßen als Ausgleich für die im Krieg erlittenen Entbehrungen. Caesar wurde in soldatischen Spottversen deshalb de facto als Stricher beschrieben. So etwas scheint uns heute fremd, da gerade im Militär Beleidigungen gegenüber Vorgesetzten als Tabu gelten.
Das ist in der Tat ein uns fremdes, faszinierendes Element. In der Forschung hat man auch lange nach Erklärungen dafür gesucht. Eine ältere bestand darin, dass so etwas eine religiöse, apotropäische Funktion habe, also der Gedanke zu Grunde lag, dass zu großes Glück von den Göttern bestraft wird, weshalb man Gegenelemente braucht. Mir scheint jedoch, dass es eher eine Ventilfunktion hatte. Die können Schmähungen ja bis heute haben. Wobei es dann auch Fälle wie eben jenen Caesars gab, der mit solchen Schmähungen nach einem Triumphzug große Probleme hatte und sogar versuchte juristisch gegen diese vorzugehen. Das zeigt, wie anfällig solche Praktiken auch sein können. Wenn die Soldaten es übertreiben, die Schmähungen sich also nicht in den erwarteten Bahnen bewegen, gerät das ganze in Störung. Und das gilt auch für Beleidigungen ganz generell: Man kann sich bei ihnen schnell verschätzen, sodass das Rollenspiel in Unordnung gerät.
Besieht man nun die Themen und Inhalte der Beleidigungen, so fällt auf, dass sich die Schmähungen im Allgemeinen oft auf das Feld der Sexualität beziehen, im Speziellen meist homophobe Konnotationen haben. Nun war Homosexualität in der Antike ja durchaus weit verbreitet und bisweilen auch gesellschaftlich akzeptiert. Wie geht das zusammen?
Grundsätzlich wurde Sexualität in der Antike nicht in der Art unterdrückt und als problematisch wahrgenommen, wie das dann später in christlichen Gesellschaften der Fall war. Gerade für Männer war die Ausübung von Sexualität an sich relativ unproblematisch – und zwar tatsächlich mit Frauen sowie Männern. Letzteres war also gar nicht so entscheidend. Es gibt hier zwar einen Unterschied zwischen der griechischen und römischen Antike, da sich in Rom auch die Tendenz beobachten lässt, Homosexualität für einen griechischen Einfluss zu halten und sie deshalb abzulehnen, aber gelebte Praxis war sie auch in Rom. Man unterschied in dieser Hinsicht also primär nicht so stark nach Geschlechtern, sondern vielmehr nach aktiver und passiver Rolle: Ist man derjenige, der sich etwas nimmt? Oder ist man derjenige, der – gezwungenermaßen – etwas gibt? War man derjenige, der agiert, war es im Grunde akzeptiert – und zwar eben unabhängig davon, wen man zum Objekt machte. Sich jedoch selbst zum Objekt zu machen, war für Männer hingegen stets ehrenrührig, weil von ihnen die aktive Rolle erwartet wurde. Insofern resultieren die besagten Beleidigungen nicht vordergründig aus dem sexuellen Verhältnis, sondern dieses wird bei der Herabsetzung als ein Beispiel dafür genommen, dass jemand nicht dominant auftritt oder Schwäche zeigt. Das zeigt sich auch im Fall Caesars. Dieser hatte ganz Gallien unterworfen, entsprach also dem Ideal eines starken römischen Mannes, wird von den Soldaten nun jedoch mit der Schmähung überzogen, er habe sich jemandem sexuell zur Verfügung gestellt. Schärfer kann der Gegensatz nicht ausfallen. Der Standardvorwurf an Männer besteht also nicht darin, ein Homosexueller zu sein, sondern ein passiver Homosexueller. Bei Frauen besteht das Äquivalent dann darin, dass sie sich mehreren Männern zur Verfügung gestellt hätten – ein Topos, den wir ja bis heute noch in der beleidigenden Bezeichnung „Schlampe“ kennen.
In einigen von Ihnen im Buch zitierten Theaterstücken finden sich auch rassistische Beleidigungen – etwa gegenüber Griechen oder Galliern. Was dabei interessant scheint: Oft wird gar nicht wirklich klar, ob die rassistischen Tiraden der Bühnenfiguren affirmativ gemeint sind und womöglich sogar die Meinung der Autoren spiegeln – oder ob die Ressentiments hier nicht vielmehr karikiert und lächerlich gemacht werden sollen. Das erinnert an eine Debatte aus dem letzten Jahr über Otto – Der Film (1987), in der diskutiert wurde, ob eine Szene, in der ein von Günther Kaufmann gespielter US-Soldat von Otto als Sklave „verkauft“ wird, rassistisch sei – oder eben das Gegenteil.
Ja, das ist ein spannender Brückenschlag. Denn hier findet sich in der Tat ein ähnliches Problem. Ist der Otto-Film auch schon ein paar Jahre alt, sodass dieser uns gar nicht mehr ganz so nah erscheint, gilt das natürlich umso mehr für antike Komödien, die über 2000 Jahre alt sind. Hier ist es ganz schwer zu sagen, was die Autoren sich gedacht haben, wie die Schauspieler das gespielt haben und wie das Publikum reagiert hat. Das hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass die wenigen überlieferten Komödien aus Rom in Griechenland spielen. Römische Schauspieler geben also griechische Figuren, die sich dann wiederum zum Beispiel über Karthager lustig machen. Schon allein das erzeugt gewisse Verfremdungseffekte. Ebenso kommen in den Stücken aber auch Römer vor, die von den Griechen als Barbaren wahrgenommen werden, sodass man natürlich versucht ist, dies als Thematisierung rassistischer Vorurteile zu lesen. Gleichwohl ist hier aber vielleicht auch Wunschdenken im Spiel, weil wir natürlich gerne hätten, dass es sich nicht um Ressentiments, sondern um die Kritik derselbigen handelt. So oder so zeigt sich aber – wie im Fall des Otto-Films –, dass Interpretationen eben eine Menge Kontextualisierung erfordern, weshalb man nicht den Fehler machen sollte, einzelne Verse herauszugreifen und diese als alleinigen Beleg für etwas zu verwenden.
Und was wäre Ihre persönliche Interpretation?
Insgesamt glaube ich, dass es fremdenfeindliche Aspekte zwar gab, sie aber insgesamt eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Stärker ist in der Antike grundsätzlich der Vorwurf gegenüber dem ausgeprägt, was man früher „niedere Herkunft“ genannt hätte, also der Tatsache, dass man von Sklaven oder „einfachen Leuten“ abstammte. Waren die Eltern von jemanden „nur“ Handwerker, galt das in der Oberschicht schon als Vorlage für Hohn und Spott. In der Antike war weniger die ethnografische Herkunft entscheidend, sondern vielmehr die soziale. Wichtig war also, dass man aus den „richtigen“ Kreisen stammte.
Die Tatsache, dass man einer Erwerbsarbeit nachging, reichte in der Antike also schon als Grund zum Spott.
Ja, deshalb war es in der Antike auch ganz schwer sozialen Aufstieg als Erfolgsgeschichte darzustellen. Das kann man manchmal auf Grabmälern sehen, auf denen freigelassene Sklaven, die dann später zu Reichtum kamen, diesen Aufstieg verewigten. Aber sobald derlei in literarischen Texten vorkommt, ist der Rahmen eigentlich immer negativ. Aufstieg wird dort stets verspottet und karikiert, weil er ein Zeichen dafür ist, dass die soziale Hierarchie in Unordnung gerät. Das unhinterfragte Ideal besteht vielmehr darin, berühmte und reiche Vorfahren zu haben und aus einem familiären Hintergrund zu kommen, der Erwerbsarbeit überflüssig macht, wodurch wiederum die Möglichkeit geschaffen ist, sich auf andere Weise – etwa durch Bildung oder Politik – auszuzeichnen.
Waren Spott und Hohn in antiken Gesellschaften also lange Zeit gang und gäbe, so beschreiben Sie in Ihrem Buch jedoch auch, dass sich mit dem Übergang von der Römischen Republik zur Kaiserzeit eine starke Veränderung vollzieht. Wie sah die aus?
Diese Veränderungen waren in der Tat sehr stark und zeigen auch potentielle Parallelen zur Gegenwart. Rekonstruiert man die Wahrnehmung der antiken Zeitgenossen, so ging die Meinungsfreiheit in der Römischen Republik stets mit Schmähfreiheit einher: Man durfte sagen, was man wollte und dementsprechend den Gegner auch mit Worten niederringen. Das wurde einerseits positiv wahrgenommen. Andererseits assoziierten viele Zeitgenossen dies auch mit dem blutigen Ende der Republik, sodass eine Verbindung zwischen der verbalen und körperlichen Aggression hergestellt wurde. Die enthemmte verbale Auseinandersetzung habe demnach den Boden für den Bürgerkrieg und die Gewalt bereitet. Als sich die politische Situation unter Augustus dann in Richtung Monarchie entwickelte, bestand eines seiner Versprechen darin, für mehr Sicherheit zu sorgen, was mit der Unterbindung verbaler Gewalt als Vorstufe körperlicher Gewalt begann. Dass dies zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führte, wurde in der Antike auch kritisch diskutiert, aber offenbar war die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass dieser Tausch – der Verzicht eines gewissen Grades an Meinungsfreiheit für den Zugewinn an Stabilität und Frieden – ein guter war, auch wenn wir das heute mit guten Gründen anders sehen würden
Was bedeutete dieser Tausch konkret?
Er wird zum einen dadurch gewährleistet, dass die Kaiser sich selbst schützen, etwa in Form der Gesetze gegen Majestätsbeleidigung. Denn auch hier war der Gedanke, dass die Beleidigung des Imperators letztlich zum Attentat führe. Zum zweiten versprechen die kaiserlichen Herrscher vor allem der Oberschicht einen gewissen Schutz und eine Befriedung der Verhältnisse. Es wird also eingeschritten, wenn Leute mit Schmähungen über die Stränge schlagen, sodass eine Gesellschaft entsteht, in der Sicherheit höher bewertet wird als Freiheit. Und hier zeigt sich natürlich auch eine Parallele in unsere Gegenwart, in der Schmähungen oft ebenso als Vorboten von Gewalt gedacht werden und dementsprechend darüber diskutiert wird, wo Einschränkungen erfolgen sollen.
Wobei in heutigen Diskursen verbale Gewalt auch nicht nur als Vorbote physischer Gewalt gilt, sondern als eigene Form der Gewalt firmiert, die etwa Traumatisierungen auslösen kann.
Ja, für uns gilt heute beides. In unserem Sonderforschungsbereich zur Invektivität ist die Frage nach der Grenze von verbaler und körperlicher Gewalt auch ein großes Thema. Und diese verschiebt sich in unserer Zeit. Heute sind wir eher bereit zu sagen, dass sich ein durch Sprache zugefügter Schaden von einer Körperverletzung gar nicht allzu sehr unterscheidet. Dadurch gewinnt man einerseits eine neue Perspektive auf bislang unterschätzte Phänomene der Herabsetzung, andererseits wird es aber schwieriger, körperliche Gewalt als Steigerungsform benennen und abgrenzen zu können. Aber mir leuchtet völlig ein, dass wir es hier mit einer sehr fließenden Grenze zu tun haben. Und mit einem auf diese Weise geschärften Blick würde es sich eigentlich anbieten, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen körperlicher und verbaler Gewalt in der antiken Wahrnehmung genauer zu untersuchen. Ich könnte mir vorstellen, dass man da einiges finden würde. •
Dennis Pausch lehrt als Professor für Klassische Philologie/Latein an der TU Dresden und ist Mitglied des DFG-Sonderforschungsbereichs „Invektivität“. Sein Buch „Virtuose Niedertracht – Die Kunst der Beleidigung in der Antike“ erschien jüngst bei C.H. Beck.
Weitere Artikel
Das Mögliche und das Wirkliche
Worauf kommt es an, wenn die Sehnsucht nach dem Neuen erwacht, während gleichzeitig unklar ist, wo es zu suchen wäre? Die Zukunft ist gerade deshalb offen, weil nicht alles zu jeder Zeit möglich ist, sondern es stets aus dem Wirklichen hervorgeht. Das Neue gebiert sich stets aus dem Zusammenspiel von Ich und Umwelt, aus der Kombination von Selbstschöpfung und Inspiration.

Sokrates und der Eros
Zum Stichwort Liebe hat jeder etwas zu sagen. Das war schon im antiken Griechenland so. In Platons „Gastmahl“, dem legendärsten Trinkgelage aller Zeiten, versuchen Athens Meisterredner das Wesen der Liebe, des Eros, zu fassen. Handelt es sich um eine Gottheit? Ist wahre Liebe körperlich oder geistig – oder beides? Und was hat es mit der Liebe zur Weisheit, dem Eros der Philosophen auf sich? Sokrates, Stargast des Gastmahls, klärte seine Zechkumpane vor 2400 Jahren auf. Sein Denken macht ihn bis heute zum unwiderstehlichsten unter allen Erotikern.

Die Gegenwart genießen
Epikur geht es um das Leben in der Gegenwart. Dabei spielen die Sinnesempfindungen, die stets den Kontakt zur Wirklichkeit herstellen, eine entscheidende Rolle. Seiner Meinung nach ist jeder imstande, sich von seinen unersättlichen Begierden zu befreien, Anlässe für Ängste auszuräumen und so schließlich das Glück zu erlangen, das in der Abwesenheit von Leid besteht
Wer sind "Wir"?
Als Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das!“ aussprach, tat sie dies, um die Deutschen zu einer anpackenden Willkommenskultur zu motivieren. Aber mit der Ankunft von einer Million Menschen aus einem anderen Kulturkreis stellt sich auch eine für Deutschland besonders heikle Frage: Wer sind wir eigentlich? Und vor allem: Wer wollen wir sein? Hört man genau hin, zeigt sich das kleine Wörtchen „wir“ als eine Art Monade, in der sich zentrale Motive zukünftigen Handelns spiegeln. Wir, die geistigen Kinder Kants, Goethes und Humboldts. Wir, die historisch tragisch verspätete Nation. Wir, das Tätervolk des Nationalsozialismus. Wir, die Wiedervereinigten einer friedlichen Revolution. Wir, die europäische Nation? Wo liegt der Kern künftiger Selbstbeschreibung und damit auch der Kern eines Integrationsideals? Taugt der Fundus deutscher Geschichte für eine robuste, reibungsfähige Leitkultur? Oder legt er nicht viel eher einen multikulturellen Ansatz nahe? Offene Fragen, die wir alle gemeinsam zu beantworten haben. Nur das eigentliche Ziel der Anstrengung lässt sich bereits klar benennen. Worin anders könnte es liegen, als dass mit diesem „wir“ dereinst auch ganz selbstverständlich „die anderen“ mitgemeint wären, und dieses kleine Wort also selbst im Munde führen wollten. Mit Impulsen von Gunter Gebauer, Tilman Borsche, Heinz Wismann, Barbara Vinken, Hans Ulrich Gumbrecht, Heinz Bude, Michael Hampe, Julian Nida-Rümelin, Paolo Flores d’Arcais.
Michael Butter: „Früher stellten Verschwörungstheorien eine anerkannte Form des Wissens dar“
Verschwörungstheorien scheinen dieser Tage allgegenwärtig. Der Literaturwissenschaftler Michael Butter erläutert im Gespräch, warum sie in der Vergangenheit jedoch viel verbreiteter waren, weshalb sie gerade in der Aufklärung Konjunktur hatten und wie man im persönlichen Umfeld auf sie reagieren sollte.

Augenblick, verweile
Die Zeit anhalten. Den Augenblick genießen. Aufgehen in voller Gegenwärtigkeit. Das Glück im Jetzt, es scheint so leicht – und bildet doch den größten Sehnsuchtspunkt des Menschen. „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“ So lautet die Wette, die der unglückliche Faust in Goethes gleichnamigem Drama mit dem Teufel Mephisto abschließt. Faust, einsam und gefangen in seiner Strebsamkeit, kann sich nicht fallen lassen in die Zeitlosigkeit der Lust. Und so verspricht der Wissenschaftler dem Teufel seine Seele, wenn es diesem gelingt, ihn aus seinem verbissenen Sein zu befreien, das stets genau weiß, wohin es will, und darüber sein Leben, genauer: die Liebe verpasst.
Was heißt hier Meinungsfreiheit, Frau Frick?
Wer über Meinungsfreiheit streiten will, muss erst einmal klären, was eine Meinung überhaupt ist. Was unterscheidet sie von Wissen? Und wann wird sie moralisch problematisch? Ein Interview mit der Philosophin Marie-Luisa Frick.

Vom Leben zur Theorie
Michel Foucault dachte von den Rändern her, er interessierte sich für Themen, die von der Philosophie vernachlässigt wurden: Wahnsinn, Kriminalität, Sexualität. Und stets stand sein Denken in direktem Bezug zu seinem politischen Engagement und seinem persönlichen Leben.
