Der Atmosoph
Wie können wir es im Unendlichen aushalten? Indem wir es bewohnbar machen, so Peter Sloterdijk. Sein philosophisches Werk widmet sich dem Kleinen, Feinen und Fragilen, beseelten Räumen und gesellschaftlichen Stimmungen. Ein Besuch in Charlottenburg.
An einem besonders heißen Tag im Juli treffe ich Peter Sloterdijk in seiner Charlottenburger Wohnung – gar nicht so leicht. Den Sommer verbringt er dieses Jahr in der Provence, er ist nur für ein paar Tage hier – für Ärzte, Freunde, Interviews, ein paar Stadtpflichten, bevor es ihn wieder auf den Landsitz zieht, nach Art eines venezianischen Adeligen, der sein Sommerglück auf der Terraferma sucht, wie er mir auf der Türschwelle verrät. Kaum in der Wohnung, erhält man schon die erste Lagedeutung. Wir gehen in die geräumige Küche. Es ist nicht so heiß wie draußen, hier kann man es gut aushalten. Sloterdijk hat Wasser kalt gestellt und gießt ein. Er ärgert sich über die neuen Flaschendeckel, die immer dranbleiben, die EU-Deckel. Auf dem Tisch liegen einige Exemplare seines Buchs Wer noch kein Grau gedacht hat, das gerade in englischer Übersetzung erschien. Ein Wink aus der nahen Vergangenheit – im Deutschen befinden wir uns schon drei Bücher weiter. Die Welt, so scheint es, kommt nicht hinterher mit der Sloterdijk-Lektüre, man hätte inzwischen beinahe 60 Bücher zu bewältigen. Zudem hat sie ihn, wie Sloterdijk gelegentlich bemerkte, noch gar nicht so recht verstanden. Was also, frage ich, ist seinen Interpreten bislang entgangen?
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