Ist KI-Kunst ästhetisch wertvoll?
Die steigende Qualität von KI-generierten Kunstwerken erhält nicht nur Zuspruch. Manche Menschen halten sie gar für minder wertvoll. Ein fatales Fehlurteil, meint Nargis Silva, das auch die kreative Zusammenarbeit von Mensch und Maschine blockiert.
In den vergangenen Wochen sind Social-Media-Plattformen mit Bildern geflutet worden, die auf Basis von Künstlicher Intelligenz erzeugt wurden. Nutzerinnen und Nutzer senden dabei ein Foto oder ein Bild an die KI, die es in ein Gemälde umwandelt. Oder es wird eine einfache Textbeschreibung in das System eingegeben – und schon erzeugt beispielsweise das KI-System DALL-E erstaunlich realistische Bilder. Diese Technologie basiert auf dem neuronalen Netzwerk GPT-3, das vom Unternehmen OpenAI auf Millionen von Bildern trainiert wurde. Bei diesem Prozess wird eine Beziehung zwischen den eingegebenen Worten gesucht, die sich in einen Kontext stellen lassen. Dabei greift die KI auf bereits bestehende, von Menschen geschaffene Kunst zurück. Auf diese Weise entstehen aus einer Beschreibung in natürlicher Sprache zum Teil atemberaubende, bizarre und fesselnde Kunstwerke. Doch ist KI-Kunst ebenso ästhetisch wertvoll wie herkömmliche Kunst?
Als subjektiv wertvoll gilt jede Kunst, die den Betrachter sinnlich berührt. Das schließt keineswegs nur Kunstwerke ein, die wir als „angenehm“ oder „schön“ empfinden. Auch das Bild eines unförmigen Gesichtes oder einer beängstigenden Landschaft kann aus Sicht des Rezipienten künstlerisch wertvoll sein. Erst in der wechselseitigen Spannung zwischen der ästhetischen Form und ihrer Wirkung auf den Aufnehmenden bildet sich der ästhetische Gehalt der Kunst. Das heißt, die handwerkliche Qualität eines Kunstwerkes allein entscheidet nicht darüber, ob ein ästhetisches Werturteil wie „schön“, „fesselnd“ oder „erschaudernd“ treffend ist. Ebenso wenig genügt die subjektive sinnliche Evidenz, um von einem ästhetisch wertvollen Kunstwerk zu sprechen. Nach dem Philosophen Immanuel Kant hat ein Kunstwerk erst dann einen ästhetischen Wert, wenn die Möglichkeit der Beipflichtung eines ästhetischen Urteils durch andere gegeben ist (Gemeinsinn). Ob ein künstlerischer Gegenstand allgemeingültig wertvoll ist, liegt demnach einem Anspruch auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit zugrunde.
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