Joseph Vogl: „Informationen über Geld sind wichtiger als Geld selbst geworden“
Es schien wie ein revolutionärer Börsen-Flashmob: Über soziale Medien hatten sich jüngst unzählige Kleinanleger organisiert, um Aktien des Computerspielhändlers GameStop zu kaufen, auch weil Hedgefonds auf deren Verfall gewettet hatten. Letztere verloren dadurch Milliarden Dollar. Der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl erklärt, warum daran nichts Subversives ist, was der Fall über den Finanzkapitalismus verrät und wieso die Fusion von Kapital- und Meinungsmärkten eine neue Machtform erzeugt.
Herr Vogl, wenn Sie aus kulturwissenschaftlicher Warte auf den Fall GameStop blicken: Was ist da eigentlich passiert?
Zunächst einmal nichts wirklich Neues. So etwas wie den Handel mit Ramschaktien oder so genannten Penny Stocks gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Und schon damals hat man auf eine Weise spekuliert, die man „pump and dump“ nannte, Aktienkurse wurden also erst aufgepumpt, um die entsprechenden Papiere dann schnell zu verkaufen und abzustoßen. Das sind Verfahren in der Nähe von Marktmanipulation und am Rande der Legalität, und sie trugen dazu bei, Kleinanleger und Habenichtse in das Finanzsystem hineinzuziehen. In dieser Hinsicht haben der Fall GameStop sowie die mit ihm zusammenhängenden Neobroker, Plattformen und soziale Medien wie Robinhood, Trade Republic, Reddit, Discord oder Telegram auch nichts Subversives. Sie gehören zu den elementaren Funktionsmechanismen der Finanzmärkte. Denn dort, wo große Geschäfte gemacht werden, gibt es immer auch Kontrarier, also Leute, die dagegen wetten.
Im Reddit-Forum r/WallStreetBets, wo die Sache ihren Anfang nahm, konnte man viel Kritisches über die Wall Street lesen, so zirkulierte dort etwa der Hashtag #EatTheRich. Warum hat man es dennoch mit nichts Subversivem zu tun?
Weil bei den Kurssprüngen von GameStop letztlich vor allem große Vermögensverwalter und Investmentgesellschaften wie Senvest, Fidelity Investment oder BlackRock gewonnen haben. Zudem wurden die Kaufaufträge der Privatanleger von den Plattformen, etwa von Robinhood an Hedgefonds wie Citadel weitergeleitet, die bei der Abwicklung der Geschäfte ganz risikolos profitierten. Es ist also wieder einmal gelungen, diejenigen, die nichts oder wenig besitzen, auf den Aktienmärkten mittanzen zu lassen. Sie haben sich auf dieses Spiel, auf eine Reise nach Jerusalem eingelassen und hopsen herum, bis die Musik plötzlich aufhört. Aber es kommt etwas hinzu. Seit der Entstehung von Börsenschauplätzen und Finanzmärkten, also spätestens seit der frühen Neuzeit, hat man es dort mit ganz besonderen Erregungsgemeinschaften zu tun, die von außen stets etwas misstrauisch oder befremdet beobachtet wurden: seltsame Verhaltensweisen und Leidenschaften, die man immer wieder als asozial, rebellisch oder schlicht als Verrücktheiten verbuchte. Das hat einen kulturellen Code ergeben, der die großen Spekulanten mit den Merkmalen des Wölfischen, des Raubtierhaften oder der Piraterie, die börsianischen Erregungen selbst mit den Eigenschaften des Unvernünftigen und des Triebhaften ausstattete. Und natürlich kann man den Kapitalmärkten insgesamt attestieren, dass sie irgendwie revolutionär oder zerstörerisch wirken, dass sie das „Stehende und Ständische“ – wie Marx und Engels gesagt hätten – vernichten. Aber was den erhofften Aufstand gegen die Reichen betrifft, lohnt es sich vielleicht, auf die Kommentare von äußerst rechten US-Republikanern wie Senator Josh Hawley zu hören: Für solche Leute aus der Alt-Right-Ecke war der vermeintliche Aufruhr gegen die Wall Street in den sozialen Medien eine ebenso erfreuliche Revolte wie die Mobilisierung für den ehemaligen US-Präsidenten, also für einen Immobilienmilliardär mit leicht kriminellen Neigungen. Interessante Analogie.
Die Vorstellung, dass es so etwas wie einen Counter-Capitalism geben könnte, in dessen Zuge die destruktiven Auswüchse der Finanzökonomie mit deren eigenen Mitteln bekämpft werden, geht also völlig fehl?
Es steckt durchaus eine gewisse ökonomische List darin, spekulative Geschäfte mit spekulativen Geschäften zu bekämpfen. Und diese List hatte einen effektiven Angelpunkt. Bei den Leerverkäufen der GameStop-Aktie durch Hedgefonds gab es nämlich eine Überzeichnung – man hatte sich insgesamt 140 Prozent der Aktien für die Leerverkäufe ausgeliehen, also mehr Papiere, als überhaupt verfügbar waren. Damit haben die Hedgefonds ihre eigenen Wetten auf einen Kursverfall von GameStop-Aktion noch riskanter gemacht, denn beim Rückkauf hätte es zwangsläufig eine Verknappung der Aktien und somit unerwünschte Preissteigerungen gegeben. Diese Situation hat man auf Plattformen und sozialen Medien geschickt genutzt: Mit Wetten auf steigende Kurse hat man steigende Kurse provoziert und manche Hedgefonds gezwungen, mit dem schnellen Rückkauf von GameStop-Aktien für weitere Kurssteigerungen zu sorgen. Eine List spekulativer Vernunft. Die allseitige Hoffnung auf einen Counter-Capitalism zeigt allerdings nur zweierlei: dass erstens eine große Menge von Leuten an diesem System verzweifelt und dass zweitens das bloße Wünschen nicht gegen das System geholfen hat. Es gab wohl selten ein Regime wie den heutigen Finanzmarktkapitalismus, das mit soviel Kritik und Gegnerschaft so erfolgreich wirtschaftet.
Was sagt der Fall GameStop über das gegenwärtige Finanzsystem aus?
Da scheinen mir drei Dinge bemerkenswert zu sein. Erstens hat sich eine Symbiose zwischen Finanzmärkten und Informationstechnologie ergeben, eine Automatisierung und Algorithmisierung, die im Wesentlichen Wertgespenster produzieren. Der signifikante Verfall der GameStop-Aktie entspricht dem Real- oder Buchwert des Unternehmens wohl ebenso wenig wie der Zugewinn von über 1000 Prozent, den man kurz vor dem erneuten Absturz erreicht hat. Allenfalls wäre darin eine Abkopplung zwischen Finanznotierungen und wirtschaftlichem Gesamtgeschehen erkennbar – einen jüngsten Niederschlag hat dies ja auch in jenen euphorischen Preissprüngen und Kursgewinnen gefunden, mit denen die Börsen seit dem Frühjahr 2020 auf Pandemie, steigende Arbeitslosigkeit und Depressionsaussichten reagierten. Der zweite Punkt: Spätestens seit den 1980er Jahren liegt es im Interesse der Finanzindustrie, möglichst viele Leute in ihre Geschäfte zu inkludieren. Das wurde durch eine Lockerung von Börsengesetzen, durch die Absenkung von Zugangsschwellen für Einzelinvestoren und Day Traders erreicht, aber auch etwa durch den Handel mit Pensionsfonds, mit Gesundheits- und Altersvorsorge auf den Finanzmärkten. Und das setzte sich in den gegenwärtigen Börsen-Apps fort, mit denen die Hürden und Transaktionskosten praktisch gegen Null gehen. Wenn möglich, sollen alle ihre Habseligkeiten auf diese Märkte schmeißen. Drittens schließlich verweist die extreme Volatilität von Papieren wie der GameStop-Aktie auf eine strukturelle Instabilität der Finanzmärkte – eine pedantische Zählung kann seit den 1970er Jahren mehrere hundert Banken- und Finanzkrisen verzeichnen, Turbulenzen und Crashs sind zu Routinen und Krisen selbst stationär geworden.
Der Soziologe Niklas Luhmann hielt 1992, kurz nach der damaligen Pfund- und Lira-Krise, einen Vortrag und bemerkte für seine Verhältnisse relativ empört, dass täglich eine Billion Dollar in Währungsspekulationen gesteckt werde. Daraufhin konstatierte er, dass er gerne mal „ein Parteiprogramm“ sähe, dass so etwas reflektiert. Sie erwähnen in Ihrem im März erscheinenden Buch Kapital und Ressentiment, dass es mittlerweile fünf Billionen Dollar sind, die täglich auf den Devisenmärkten umgesetzt werden. Hat sich im politischen Betrieb denn mittlerweile eine entsprechende Reflexion eingestellt?
An manchen Stellen kann man wenigstens ein gemächliches Umdenken bemerken. Während etwa Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank lange Zeit für die Durchsetzung von Austeritätsprogrammen, für Privatisierung und Deregulierung und für die Stärkung von internationalen Kapitalmärkten und Gläubigern sorgten, haben sie nach der Finanzkrise 2007/2008 und insbesondere seit der Eurokrise 2010/2011 die Tendenz ihrer Politik vorsichtig geändert. Sie haben sich dann gegen allzu strikte Reformdiktate und eine rabiate Zerstörung von Sozialsystemen gewandt und dabei sogar Konflikte mit der Europäischen Union riskiert. Das ist nicht weltbewegend, aber immerhin ein Indiz dafür, dass das gegenwärtige Finanzsystem selbst den heftigen Fürsprechern etwas unheimlich geworden ist. Allerdings sind die Gegenkräfte wohl stärker geblieben: Nach dem Zusammenbruch von 2008 hat man mit allen politischen Mitteln an der Restauration der bestehenden Finanzordnung gearbeitet. Schon 2009 war eines der besten Jahre für die Wall Street überhaupt, das globale Anlagevermögen ist 2010 um neun Billionen gewachsen und hat einen Spitzenwert von 121,8 Billionen Dollar erreicht. Und während weitere sechzig Millionen Leute unter die absolute Armutsgrenze gefallen sind, war das Volumen des internationalen Derivathandels schon 2011 größer als 2007. Luhmann würde verzweifeln.
Sie sprachen bereits davon, dass nicht zuletzt durch Plattformen wie Robinhood oder Trade Republic immer mehr Menschen in den Finanzmarkt inkludiert werden. Gleichzeitig wirkt es zumindest von außen so, dass das Geschehen an den Börsen für Nicht-Profis immer komplexer und für undurchsichtiger wird. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Das, was auf Finanzmärkten im Augenblick passiert, ist auf technologischer, physikalischer, informatischer und mathematischer Ebene tatsächlich höchst kompliziert. Da blicken nur mathematische Physiker, Stochastiker und so genannte Quants durch. Auf betriebswirtschaftlicher und geschäftlicher Ebene ist dies aber überaus simpel und schlicht: Da geht es um Bereicherungsstrategien, da geht es darum, Zeitvorsprünge, Informationsvorsprünge zu nutzen und mit Marktmacht Märkte zu dominieren. Und hier hat der Hype um GameStop bereits zu neuen pädagogischen Konjunkturen geführt. Je mehr die pandemische Langeweile eine Spekulationslust auch in Kinder- und Jungendzimmern ausgelöst hat, desto günstiger erschien nun die Gelegenheit, schon die Minderjährigen auf die Artistik smarter und cleverer Geschäfte zu dressieren. Jedenfalls hat die jüngste Spekulationswelle in den USA bereits einen neuen Elementarunterricht hervorgebracht: eine Art Vorschule der Finanz, „Financial Literacy“ oder „Finanzkompetenz für Kinder“.
Aber könnte in solch einer Finanzkunde nicht auch eine Chance liegen, Menschen tatsächlich besser auf die finanzökonomischen Realitäten vorzubereiten?
Aber natürlich. Geschäftemachen ist so wenig angeboren, wie der Kapitalismus ein Naturereignis ist. Beides muss gelernt und eingeübt werden. Man kann nicht früh genug damit anfangen.
Die Juristin Katharina Pistor hat jüngst in ihrem Buch Der Code des Kapitals aufgezeigt, wie sich die Finanzindustrie ihre Gesetze de facto oft selbst schreibt. Ist es vor diesem Hintergrund also praktisch aussichtslos, dass Finanzmärkte in Zukunft stärker reguliert werden? Oder wäre das eigentlich gar nicht so schwierig, wenn man politisch nur wollte?
Katharina Pistor hat demonstriert, wie rechtliche Sonderregeln seit 300 Jahren Kapitalgesellschaften und Akkumulationsprozesse systematisch privilegieren, bis hin zum Exzess der Ungleichheiten in der gegenwärtigen Vermögensverteilung. Zudem wurden neue Ausnahmebedingungen durch den Zusammenbruch des britischen Imperiums geschaffen. Seit Ende der fünfziger Jahre haben die ehemaligen britischen Kolonien – wie Hongkong, Bermuda, Kaimaninseln, Singapur – die Basis für ein Netzwerk gelegt, das Kapitaltransaktionen abseits und unter Umgehung nationaler Gesetzgebungen ermöglichte. Damit wurde eine Infrastruktur für den internationalen Finanzmarktkapitalismus, für die Unabhängigkeit und die Souveränität des Kapitals bereitgestellt. Entsprechend zwiespältig muss wohl die Antwort auf die Frage nach politischen Interventionen ausfallen. Einerseits ist die internationale Kapitalwirtschaft den staatlichen Gesetzgebungen längst enteilt und hat sich eigene, transnationale Regeln, eine eigene, geoökonomische Ordnung geschaffen. Andererseits wären Steuerrecht und nationale Steuerpolitik immer noch ein wirksamer Hebel – deren Möglichkeiten könnte man ausschöpfen, wenn man nur wollte.
Das klingt ja fast optimistisch.
Soll es aber nicht. Denn schon jetzt ist eine weitere Mutation erkennbar, in der die Finanzindustrie mit neuen Unternehmensformen fusioniert, nämlich mit Plattformunternehmen. Man darf nicht vergessen: Im Fall von GameStop waren es soziale Medien, Plattformen und Online-Broker, die den spekulativen Schwung der Kleinaktionäre überhaupt erst ermöglichten. Dabei wurde eine überaus wirkungsvolle Allianz bemerkbar, in der sich die Dynamiken der Meinungsmärkte mit denen der Finanzmärkte wechselseitig verstärken. Womöglich lassen sich die älteren Erregungsgemeinschaften auf den Börsenschauplätzen sogar als Urbilder für die Meinungsstürme begreifen, die heute von Plattformen organisiert werden – beide funktionieren ja über die Herstellung positiver Rückkopplungen.
Wobei man einwenden könnte: Im Vergleich zum bloßen Börsenparkett entsteht durch solche eine Verknüpfung immerhin eine demokratischere Form der Erregungsgemeinschaft.
Was auf Facebook, Google und anderen Plattformen passiert, ist weniger eine demokratische Verständigung als ein gutes Geschäft. Das wurde seit Mitte der 1990er Jahre durch die Privatisierung der digitalen Netzwerke und durch Ausnahmeregeln für Internet-Provider ermöglicht. Für sie gelten nun Haftungsprivilegien, sie sind also etwa für die auf den Plattformen vertriebenen Inhalte nicht haftbar und verantwortlich. In den USA hat man sich dabei auf den ersten Verfassungszusatz über radikale Meinungsfreiheit berufen. In gewisser Weise schließt sich damit ein Kreis. Wie sich Marktliberale – etwa Milton Friedman – bei der Forderung nach der Deregulierung von Finanzmärkten und freien Geldverkehr auf das Recht auf freie Meinungsäußerung beriefen, so führte die Berufung auf Meinungsfreiheit in Plattformen und sozialen Medien wiederum zur Entstehung neuer Medienkonzerne und Monopolisten. Die rechtlichen Privilegien für Finanzkapital einerseits und für Meinungsmärkte andererseits haben hier effiziente Allianzen und neue Machtformen erzeugt.
Die Finanzmärkte genießen indes nicht nur Privilegien, sondern verteilen auch welche. Allen voran jenes, dass Unternehmen extrem groß werden können. Dass etwa Amazon zum Internet-Giganten aufsteigen konnte, hängt ja auch damit zusammen, dass der Konzern von den Investoren und Finanzmärkten anfangs an der langen Leine gehalten wurde, also für relativ lange Zeit sehr große Verluste machen durfte.
Man könnte sagen, dass es eine Filiationsbeziehung zwischen den Finanzmärkten und den Plattformen gibt. Diese Beziehungen sind seit den 1990er Jahres besonders effektiv geworden. Lange Zeit hat man Unternehmen an die Börse gebracht, um Kapital für Investitionen und bestimmte Unternehmensziele zu sammeln. Heute ist es mitunter umgekehrt: Börsengänge werden nicht zur Finanzierung von profitablen Unternehmen, vielmehr werden Unternehmen zur Finanzierung von profitablen Börsengängen genutzt. Besonders Plattformen bieten dabei eine Aussicht auf so genannte Disruptionen, d.h. eine Aussicht auf die Zerstörung von Märkten, mit der man phantastische Marktbewertungen erzielen kann.
Zum Beispiel?
Denken Sie an Airbnb, ein Unternehmen, das keinerlei Immobilien besitzt, aber eine größere Marktkapitalisierung als der Hilton-Konzern aufweisen kann. Oder an Uber, das wertvoller ist als VW, BMW und Mercedes zusammen. Solche finanziellen Bewertungen sind einem dreifachen Vorteil geschuldet: erstens der Minimierung von Arbeitskosten, weil man sich kaum um Lohnempfänger und feste Angestellte kümmern muss; zweitens geringen Transaktions- und Grenzkosten, weil man mit dem digitalen Makeln von Aufträgen aufwändige Friktionen reduziert; schließlich der Einsparung von Fixkosten, weil die Pflege von Immobilien oder Fahrzeugen ja ausschließlich die Sache der Auftragsnehmer ist.
Wir sprachen sowohl über die historischen Parallelen vom aktuellen GameStop-Fall als auch über die infrastrukturellen Verschiebungen an der Wall Street. Deshalb noch einmal abschließend die Frage: Sind die heutigen Finanzmärkte im Grundsatz noch mit jenen vor 50 Jahren vergleichbar oder handelt es sich im Prinzip schon um ganz andere Gebilde?
Seit den 1970er Jahren hat sich tatsächlich ein Bruch vollzogen. Das war, wie gesagt, die Fusion von Finanzökonomie und Informationstechnologie. Und die ging nur unter der Bedingung neuer Wissensformen, etwa der Kybernetik oder der mathematischen Informationstheorie, sowie der Entstehung bestimmter technischer Infrastrukturen, also von Netzwerkarchitekturen. In diesem Zusammenhang wurden Markttheorien als Informationstheorien neu formuliert, so genannte ‚effiziente Märkte‘ sollen nun eine effiziente Verteilung von Information für alle Marktteilnehmer garantieren. So werden etwa Preise auf den Finanzmärkten als Verdichtung verfügbarer Informationen über Vermögenswerte begriffen. Information ist damit nicht nur zur wesentlichen Ressource im gegenwärtigen Finanzkapitalismus geworden. Vielmehr ließe sich hier von der Herrschaft eines Informationsstandards sprechen: Informationen über Geld sind wichtiger als Geld selbst geworden. •
Joseph Vogl lehrt als Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. In Büchern wie „Kalkül und Leidenschaft – Poetik des ökonomischen Menschen“ (diaphanes 2002), „Das Gespenst des Kapitals“ (diaphanes 2010) oder „Der Souveränitätseffekt“ (diaphanes 2015) hat er sich immer wieder mit der Logik und Funktionsweise von Finanzmärkten beschäftigt. Sein neues Buch „Kapital und Ressentiment“ (C.H. Beck) erscheint am 18. März.