KI – Freund und Helfer?
Künstliche Intelligenz bestimmt unseren Alltag immer mehr. Doch können wir Roboter zu angenehmen Zeitgenossen machen, die ethisch handeln, humorvoll auftreten und sich intelligent verhalten?
Jonny Thomson: „Maschinen werden mit immer mehr ethischen Entscheidungen konfrontiert werden“
„Welche Ethik sollte den Robotern einprogrammiert werden?“. Diese Frage stellt Jonny Thomson, Professor für Philosophie in Oxford, auf der Website Big Think. Automatische Autos, Einstellungsalgorithmen, Gerichtsprogramme... In naher Zukunft „wird die KI Entscheidungen treffen müssen, die unser Leben erheblich beeinflussen könnten“, betont der englische Philosoph. Zwar sind sich alle einig, dass man seine Entscheidungsfindung durch bestimmte Prinzipien einrahmen sollte, aber niemand ist sich über diese Prinzipien einig. „Wenn wir Menschen moralische Entscheidungen treffen, wägen wir jedes einzelne Prinzip und jeden einzelnen Wert“ ab, die uns relevant erscheinen. Wir kommen mit dieser Unbestimmtheit zurecht, weil wir wissen, dass wir ein Kriterium brauchen, an dem wir unser Handeln ausrichten können. Die KI ist zu dieser Abwägung zwischen verschiedenen ethischen Perspektiven nicht in der Lage. Und das ist das vielleicht unlösbare Problem der ethischen Programmierung!
Tony Veale: „Eine humorvolle Maschine fördert das soziale Bewusstsein ihrer Nutzer“
Die Programmierung der Zukunft muss nicht nur der Ethik einen hohen Stellenwert einräumen, sondern auch dem Humor, behauptet der Professor für Computerwissenschaft an der Universität Dublin Tony Veale in Psyche. Es ist natürlich nicht einfach, die Starrheit einer Programmiersprache mit dem fließenden Humor zu vereinbaren, der sich gerade durch Abweichungen, Fehler und Zögern ergibt. Ein Grund mehr, so Veale, dies schon heute in Angriff zu nehmen – und zwar nicht, um humorvolle Roboter zu entwickeln, sondern um den Humor aller KIs zu verfeinern. „KIs mit Sinn für Humor werden die Zahnräder unserer täglichen Interaktionen, mit Maschinen, schmieren [...] Da die Bevölkerung altert und wir zu Hause immer abhängiger von Maschinen werden, brauchen wir Begleiter in der häuslichen Pflege, die, sagen wir, geselliger sind“. Der Sinn für Humor ist mehr als nur die Beherrschung von mechanisch aufgesagten „Witzen“. Er ist untrennbar mit einer echten Gewandtheit im Umgang mit der Sprache verbunden. Und der Garant für eine befriedigendere Beziehung zu unseren robotischen Begleitern von morgen.
Rich Heimann: „Das Feld der KI ist gehemmt im Verständnis dessen, was Intelligenz ist“
Sind die Roboter von morgen also ethisch, witzig – und intelligent? Das ist nicht so sicher, wenn man dem Datenwissenschaftler Rich Heimann glaubt. Auf jeden Fall haben wir wenig Chancen, dies zu erreichen, solange wir in reduzierten Vorstellungen von Intelligenz gefangen bleiben. In Tech Talk verwirft er die verschiedenen zeitgenössischen Ansätze zu diesem Thema – Behaviorismus, Funktionalismus, Computationalismus –, die sich nicht darum kümmern, ob „Denken einen Denker voraussetzt“, aber auch traditionellere Ansätze wie das „Gehirn im Tank“, die auf einer Spaltung von Körper und Seele beruhen. „Diese Rahmen sind widersprüchlich und unvereinbar mit dem biologischen Gehirn und der natürlichen Intelligenz“, betont er. „Echte künstliche Intelligenz kann nicht real sein“, es sei denn, das „Gehirn im Tank“ hat Beine", Arme, Gliedmaßen... Kurz gesagt, einen Körper. •
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Jan Slaby: „In-der-Welt-Sein ist deutlich mehr als Curlingsteine durch die Gegend schieben“
Die Liste der Dinge, die Künstliche Intelligenzen besser können als Menschen, wächst stetig. Nach Erfolgen in den Denksportarten wie Go und Schach hat ein Roboter nun erstmals Profispieler im Curling geschlagen. Manche Experten sehen darin einen Durchbruch für autonome KIs. Der Philosoph Jan Slaby ist hingegen skeptisch. Die Potentiale der Zukunft lägen vielmehr in hybriden Systemen.

Richard David Precht: „Man tut den Menschen keinen Gefallen, wenn man ihnen die Pflicht nimmt“
Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird durch die Corona-Pandemie zusätzlich befeuert. Viele Jobs werden zukünftig überflüssig, Künstliche Intelligenz ersetzt den Menschen. Im Interview spricht der Philosoph Richard David Precht über die Ambivalenz dieser Entwicklung - und die große Herausforderung, Sinn auch jenseits der Arbeit zu finden. Sein Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ (2020) ist bei Goldmann erschienen.

Künstliche Intelligenz – Spiegel unseres Selbst?
Es ist verführerisch, KI-Systeme wie ChatGPT entweder als intelligentes Gegenüber oder aber als reines Tool zu begreifen. Eine lohnende dritte Perspektive eröffnet sich allerdings durch den Rückgriff auf die „Organprojektionstheorie“ des Philosophen Ernst Kapp.

Es kam so überraschend wie verheerend.
Das Coronavirus, das die Welt Anfang 2020 erfasste und in vielen Bereichen noch immer unseren Alltag bestimmt, erzeugte vor allem eines: ein globales Gefühl der Ungewissheit. Wurde das soziale Leben in kürzester Zeit still gestellt, Geschäfte, Kinos und Bars geschlossen und demokratische Grundrechte eingeschränkt, blieb zunächst unklar, wie lange dieser pandemische Ausnahmezustand andauern würde. Und selbst jetzt, da sich das Leben wieder einigermaßen normalisiert zu haben scheint, ist die Unsicherheit nach wie vor groß: Wird es womöglich doch noch eine zweite Infektionswelle geben? Wie stark werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdowns sein? Entwickeln sich Gesellschaften nun solidarisch weiter oder vollziehen sie vielmehr autoritären Rollback? Ganz zu schweigen von den individuellen Ungewissheiten: Kann ich im Sommer in den Urlaub fahren? Werde ich im Herbst noch Arbeit haben? Hält die Beziehung der Belastung stand? Kurzum: Selten war unsere so planungsbedürftige Zivilisation mit so viel Ungewissheit konfrontiert wie derzeit.

Leon Botstein: „Sie blieb immer Außenseiterin“
Charismatisch, humorvoll, warm – Hannah Arendt blieb zwar zeitlebens Außenseiterin im akademischen Betrieb der USA, aber auf Studenten hinterließ sie bleibenden Eindruck. Der bekannte Dirigent Leon Botstein, Präsident des Bard College, Student und später Freund von Hannah Arendt, erinnert sich.

Emotionale Maschinen
Roboter in der Pflege, als alltägliche Begleiter, gar als Partner: für die meisten eine Horrorvorstellung. Aber was wäre, wenn künstliche Systeme Gefühle hätten? Zeit, die Chancen und Risiken der Forschung in den Blick zu nehmen.

Freundliche Übernahme
Dank künstlicher Intelligenz lassen sich Gesichter mittlerweile so einfach und billig generieren, dass wir im Netz schon bald auf Unmengen von Fake-Menschen stoßen könnten. Doch liegt darin auch die Chance, alle sozialen und ökologischen Probleme auf einen Schlag zu lösen. Eine Glosse von Nils Markwardt.

Das zerstreute Ich
Unser Alltag wird zunehmend von Unterbrechungen und Multiasking bestimmt. Im Dauerfeuer der medialen reize fällt es immer schwerer, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Die anzahl der ADHS-Diagnosen steigt ebenso kontinuierlich an wie jene der burnout-Diagnosen. Sind die fliehkräfte des digitalen Kapitalismus im begriff, neben dem alltag auch unser Innerstes zu zerreißen? Doch was wissen wir eigentlich über die wahre Gestalt des menschlichen bewusstseins? Ist unser Denken womöglich von Natur auf permanente zerstreuung angelegt? Stellt das dezentrierte Ich sogar utopische Perspektiven einer neuen, intensiveren Daseinsform in aussicht?