Mirna Funk: „Es geht darum, einander ausschließende Narrative zeitgleich zu dulden“
Was lehrt uns die jüdische Geistesgeschichte über eine gute Streitkultur? Die Autorin Mirna Funk zu ideologiefreiem Denken.
Frau Funk, der Kern jeder Ideologie ist der Anspruch auf absolute Wahrheit. Sie dagegen schreiben, man käme der Wahrheit nur dann näher, wenn wir zwei gegensätzliche Positionen in uns vereinen, ohne „innerlich zu zerreißen“. Wie gelingt uns das?
Es gibt einen jüdischen Witz über einen Schiffbrüchigen. Nach Jahren findet man ihn und sieht, dass er zwei Synagogen gebaut hat. Man fragt ihn, warum. Seine Antwort: „In die eine gehe ich, in die andere würde ich nie einen Fuß setzen!“ Es geht also stets darum, einander ausschließende Narrative zeitgleich zu dulden, sich nicht für eine der beiden fest zu entscheiden, sondern sich in Pendelbewegung zwischen ihnen aufzuhalten.
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Präsente machen Mühe, kosten Zeit, Geld und oft auch Nerven. Trotzdem beschenken wir einander. Drei Philosophen über die wahren Gründe des Gebens.
