Sina Abedi: „Dieser Konflikt ist nicht der des iranischen Volkes“
Drei Tage nach Beginn der von Israel gegen den Iran gestarteten Operation „Rising Lion“ haben wir den promovierten Architekten, Forscher, Dozenten und Essayisten Sina Abedi interviewt. Er erklärt uns, dass das iranische Volk beide Kräfte gleichermaßen ablehnt, zwischen denen es sich als Geisel wiederfindet: die Islamische Republik und die israelische Regierung.
Die am 13. Juni gegen den Iran gestartete israelische Operation mit dem Namen „Rising Lion“ bezieht sich auf die iranische Flagge vor der Revolution, auf der Löwe und Sonne zu sehen sind. Sie ist ein direkt an die Iraner gerichtetes Signal. Was wird die Oberhand gewinnen: der Hass auf die Mullahs oder das patriotische Gefühl?
Sina Abedi: Der Patriotismus der Iraner muss nicht geweckt werden, er ist in einem jahrtausendealten Nationalbewusstsein, einer Kultur und einer Geschichte von unermesslichem Reichtum verwurzelt. Dieser Konflikt ist nicht der Konflikt des iranischen Volkes. Es handelt sich in erster Linie um das Manöver einer verzweifelten Macht, in Form des iranischen Regimes, das durch militärische Eskalation versucht, von seiner katastrophalen Bilanz nach 46 Jahren Herrschaft abzulenken. Der Wille des Volkes hat sich bereits mit unbestreitbarer Kraft im Aufstand „Frau, Leben, Freiheit“ zum Ausdruck gebracht. Diese Bewegung war der Höhepunkt einer langen Dissidenz und bedeutete eine vollständige Ablehnung des Systems. Die Iraner weigern sich heute, sich in das falsche Dilemma drängen zu lassen, das sie vor die Wahl zwischen dem gegenwärtigen Regime und einer Intervention von außen stellen würde. Ein dritter Weg ist möglich, den das iranische Volk mit seinem eigenen Mut bereits für seine Zukunft eingeschlagen hat.
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