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Tag - Body
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Bild: © Bastian Thiery

Essay

Stabilisiert euch!

Jörg Scheller veröffentlicht am 02 Februar 2021 5 min

Functional Training ist Trend – gerade jetzt, in der Pandemie. Koordinations- und Gleichgewichtsübungen präparieren den Körper für die Härten des Lebens. Ein Essay von Jörg Scheller über Prävention in schweren Zeiten.

 

Ach, es könnte doch so komfortabel sein. Resilienztraining auf breiter gesellschaftlicher Basis? Dafür braucht es ganz einfach die flächendeckende Verbreitung handelsüblicher Ratgeber voller positiv psychologischer Empowerment-Pädagogik, den niederschwelligen Zugang zu Meditations-Apps, die Implementierung psychologischer Widerständigkeits-Work-outs in Bildung und Business sowie massen- und sozialmedial dargebrachte Sozialisierungssprechakte („Zusammenhalten!“). Alles auf dem Sofa und im Sitzungszimmer realisierbar. Wäre da doch nicht nur – das Fleisch!

Wenn das Fleisch nicht mitmacht, wenn es gar den Dienst verweigert, wenn die Basis den Überbau sabotiert, dann nützt auch die stabilisierteste Manager-Psyche wenig. Genügen der Konsum von Vitamin-D-Kapseln, Impfstoffe, Marathonlaufen und konsequentes Nichtverlassen des Yogastudios, um eine Gesellschaft auch körperlich so richtig widerstandsfähig zu machen? Mitnichten. Hier kommt Funktionelles Training in jenes Spiel der Resilienzen, das unsere optimierungsbedürftige Gegenwart prägt.

Im 21. Jahrhundert ist Funktionelles Training zum dominanten Trend der Fitnesskultur avanciert. Kurz gesagt, versteht man unter Funktionellem Training komplexe, auf Körperbeherrschung und -vermögen abzielende Varianten des Fitnesstrainings. Allgemeine Fitness, Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer, intermuskuläre Koordination und verbesserter Gleichgewichtssinn stehen im Vordergrund. Zum Funktionellen Training zählen diverse Formen des freien Körpergewichttrainings, wie es etwa Mark Lauren in seinem Buch You Are Your Own Gym präsentiert, akrobatische Calisthenics, Work-outs mit dem TRX-System – Körpergewichtstraining an Schlingen – oder Systeme wie CrossFit, ein intensives Kombinationstraining aus verschiedenen Sportarten. Auch Yoga oder Pilates können Teil eines funktionellen Trainingsprogramms sein. Damit positioniert sich Funktionelles Training als Alternative zum ästhetizistischen Old-School-Bodybuilding, dessen Grundprinzip Bob Cicherillo einmal wie folgt auf den Punkt brachte: „It’s not how much you can lift. It’s how much you look like you can lift.“ 

 

Muskeln durch Multitasking

 

Beim Funktionellen Training exerziert man nicht mehr im schwerfälligen Sozialstaat der Trainingsmaschinen à la Kieser, wo stählerne Nannys die Bewegungen führen, für die sichere Ausführung sorgen und jeweils nur eine Muskelgruppe zum Einsatz kommen lassen. Wer Funktionelles Training betreibt, könnte selbst auf dem Weg zum Jüngsten Gericht noch ein kleines Wadentraining einlegen. Egal wo, egal wann, egal wie – das Training mit dem eigenen Körpergewicht oder mit leichten Hilfsmitteln wie elastischen Bändern kann vor dem Laptop, im Park, im Büro oder eben am Höllenschlund erfolgen. Da lacht nicht nur das neoliberale, sondern auch das humanistische Herz! Durch die Hintertür eines Fitnesstrends kehrt der Mythos des selbstmächtigen Individuums zurück. Maschinentraining hatte immer schon etwas Posthumanistisches.

Ziel des Funktionellen Trainings ist es, die Muskeln nicht sukzessive und isoliert zu trainieren, sondern simultan und kombiniert – was sich wiederum nahtlos in das Paradigma der Gleichzeitigkeit im Internetzeitalter und der anbrechenden Ära des Quantencomputers fügt: In der vernetzten, auf Effizienz getrimmten Welt ist Simultaneität Pflicht. Wem es nicht gelingt, mehrere Leben gleichzeitig zu führen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, mehrere Muskeln gleichzeitig zu trainieren, fällt vom Konkurrenzkarussell.

Gerade Fitness-Influencer auf YouTube oder Instagram geben in der Regel keine Einführung in die Nutzung von Trainingsmaschinen, sondern unterweisen ihr Publikum in funktionellen Übungen. Die Prominenz dieser Trainingsform in den sozialen Netzwerken zeugt davon, dass es sich nicht um einen Nischenkult, sondern um ein breites gesellschaftliches Phänomen handelt. Das überrascht nicht. Sowohl für die Risikogesellschaft (Ulrich Beck) als auch die digitalnomadische Gesellschaft der Singularitäten (Andreas Reckwitz) bietet Funktionelles Training adäquate Verkörperungsformen – individualisierbar, kreativ, mobil, platzsparend, multikontextuell. Funktionelles Training verspricht dabei die ultimative Prävention. Es rüstet den Körper für alle Eventualitäten. Erst mit Funktionellem Training, das viele Elemente des Militärischen übernommen hat, erfüllt sich Zygmunt Baumans Definition von Fitness. Diese, so Bauman in seinem Buch Flüchtige Moderne, verweise „nicht (ins) Heute, sondern in (die) Zukunft: man ist fit für zukünftige, unbekannte Herausforderungen, hat einen flexiblen, anpassungs- und aufnahmefähigen Körper. (…) ,Fitness‘ heißt, bereit für das Unerwartete, Außergewöhnliche, jenseits der Routine Liegende zu sein – und vor allen Dingen: offen und bereit für alles Neue und Überraschende.“

 

Krisentaugliche Körperkompetenzen

 

Der Ex-Militär und heutige Influencer für Funktionelles Training Pat McNamara argumentiert, Funktionelles Training sei nicht nur gut für Gesundheit und Langlebigkeit, sondern verbessere auch die Verteidigungsfähigkeit und bereite überhaupt darauf vor, sich in schwierigen Situationen zu bewähren – „cosmetics is a cool byproduct“, fügte er 2019 in einem Interview als Seitenhieb auf Bodybuilder und Instagram-Schönheiten hinzu. Polemisch formuliert: Was dem Prepper Konserven und Atombunker sind, ist dem Funktionsathleten der für alles gewappnete gesunde, flexible, belastbare, wehrhafte Körper. Mit diesem Körper könnte eine selbsterfüllende Prophezeiung verbunden sein: Wer über einen dysfunktionalen Körper verfügt, wird von Grund auf bestrebt sein, Krisen zu verhindern – wer aber über einen funktionalen Körper verfügt, könnte Krisen geradezu ersehnen, um sich darin zu bewähren. Wenn man den Atombunker erst mal gebaut hat und die Pumpgun im Nachtschränkchen liegt – wäre es nicht nachgerade schade, wenn die Zombieapokalypse nicht einträte?

Nun, die Zombies lassen auf sich warten. Aber die Viren sind da. Die Coronapandemie hat den Boom des Funktionellen Trainings zusätzlich befeuert, da die Maschinenparks im Fitnesscenter während der Lockdowns und Massenquarantänen nicht zugänglich waren. In gewisser Hinsicht erwies sich der Boom als prophetisch; als sei er – aufgemerkt, liebe Verschwörungstheoretiker! – in präventiver Absicht lanciert worden. Denn Funktionelles Training kommt ohne Gyms aus, lässt sich auch während Lockdowns auf engstem Raum praktizieren – und wer durch die Krise seinen Job und sein Geld verlor, konnte direkt mit kostenlosen YouTube-Tutorials weitertrainieren. Baumans Zukunftsthese hatte sich bewahrheitet. An schweren Maschinen schwitzende Bodybuilder indes sind abhängig von konkreten Orten, müssen das Haus verlassen, müssen Mitgliedsbeiträge bezahlen, bauen zwar Muskelmasse, aber nicht zwingend krisentaugliche Körperkompetenzen auf. Diese schweren, unflexiblen Körper sind ein neoliberaler Albtraum. Immerhin könnten sie bei Hungersnöten länger von ihrer Masse zehren als die neoliberalen Leichtgewichte – endogenes Prepping, wenn man so will.

Funktionelles Training passt vor diesem Hintergrund bestens zur präventiven Wende in der Gesundheitspolitik. Keine Krankenkasse reduziert die Gebühren, wenn sich Männer so monumentale wie nutzlose Brust- und Bizepsmuskeln antrainieren, oder wenn Frauen ihre Gesäßmuskulatur auf Kardashian-Niveau hypertrophieren. Aber Training, das echte Funktionalität und Resilienz in mannigfaltiger Hinsicht verspricht – dafür senkt man gerne mal die Beiträge. Beruhigend, dass es manche auch mit dem Funktionellen Training übertreiben und es dem dysfunktionalen Exzess annähern werden. •

 

Jörg Scheller ist Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule der Künste in Zürich, dazu Publizist, Musiker und Kraftsportler. Im April erscheint sein neues Buch „Body-Bilder“ bei Wagenbach.

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Artikel aus dem Dossier "Was macht uns resilient?" Januar 2021 Zum Dossier
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