Susan Buck-Morss: „In der Haitianischen Revolution sah Hegel etwas Universelles“
War Hegels Herr-Knecht-Dialektik von der Revolution in Haiti inspiriert? Im Gespräch erläutert die Philosophin Susan Buck-Morss ihre originelle These und plädiert für einen neuen Blick auf die Geschichte.
Philosophie Magazin: Frau Buck-Morss, Sie haben unter anderem über Walter Benjamin, den Islamismus und die Kultur der Sowjetunion geschrieben. Woher rührt Ihr Interesse an Hegel?
Susan Buck-Morss: Ich war das erste Mal Mitte der 1970er-Jahre in Deutschland. Alle Studierenden damals lasen Adorno, Lenin und Marx. Ich kam über Lukács und den frühen Marx zu Hegel. Es war der radikale Hegel, der linke Hegel, der Hegel, der in politischen Diskussionen lebendig war, der mein Interesse weckte. Diese linke Perspektive stand insbesondere dem Positivismus und anderen Formen der Faktenanalyse kritisch gegenüber. Letztere konnten weder mit dem Phänomen der Veränderung umgehen noch mit der Tatsache, dass das, was man weiß und wie man es weiß, das Bewusstsein verändert – was wiederum zu dem Wunsch führen kann, die Realität zu verändern. Das war es, was mich an Hegel interessiert hat.
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