Thomas Metzinger: „Der menschliche Geist scheint in der Klimakatastrophe seinen Meister gefunden zu haben“
Der Blick auf die Prognosen zum Klimawandel verheißt Düsteres. Wie angesichts dieser Situation nicht in Lethargie oder Verzweiflung verfallen? Der Philosoph Thomas Metzinger erläutert, warum wir eine neue „Bewusstseinskultur“ brauchen und Meditation uns bei der Krisenbewältigung helfen könnte.
In Ihrem neuen Buch Bewusstseinskultur: Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise fordern Sie, dass wir uns angesichts der Klimakrise „radikal ehrlich machen“ sollten. Was bedeutet das?
Das bedeutet erstmal, dass wir die Tatsache anerkennen sollten, dass es im globalen Maßstab schlecht aussieht. Es könnte durchaus sein, dass einzelne Länder wie Schweden oder Dänemark – für Deutschland sieht es momentan nicht so gut aus – ihre Klimaziele erreichen. Andere Nationen mit sehr hohen Emissionen wie die USA, Russland, Saudi-Arabien oder der Iran werden diese Ziele hingegen wohl noch mehrere Jahre verfehlen. Das Bewusstsein der Bevölkerung und der ernsthafte politische Wille fehlen noch weitgehend. Die Fossilindustrie und die Finanzindustrie sabotieren natürlich, so viel sie können. Sie verzögern Veränderungen und verwandeln Politiker in Lobbypuppen. Hinzu kommt die Trägheit der physikalischen Systeme, die viele noch nicht verstehen. Lassen Sie mich diesen Gedanken in einem Bild verdeutlichen: Wäre der Klimawandel ein Auto, in dem wir mit 100 km/h über die Autobahn fahren, dann könnten wir nicht einfach den Schlüssel ziehen, bremsen und wären in Sicherheit. Selbst wenn wir jetzt auskuppeln oder sogar den Motor ausmachen, rollen wir noch Jahrhunderte weiter. Auch wenn wir unsere Emissionen senken würden – und sie steigen, auch in Deutschland sind sie in den letzten beiden Jahren wieder gestiegen –, werden die Folgen noch Jahrhunderte weiterlaufen. Der menschliche Geist scheint in der Klimakatastrophe seinen Meister gefunden zu haben.
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