Warum Hegel lesen?
Seine Werke gelten als äußerst schwer verständlich und dennoch wird Hegel weiter gelesen. Prominente Personen aus Politik, Literatur und Gesellschaft erzählen, warum sich die Auseinandersetzung mit diesem Philosophen auch heute lohnt.
Mithu Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin
Der Grund, warum ich Hegel schätze? Hegel hasste Indien. Genauer: Hegel hielt indische Philosophie für wertlos – ja, sprach ihr ab, überhaupt Philosophie zu sein –, trotzdem war er intellektuell ehrlich genug, sich auch nach diesem Urteil intensiv mit ihr auseinanderzusetzen. Keiner seiner indophilen Zeitgenossen, wie Schelling oder Schopenhauer, arbeitete sich tiefer in die indische Philosophie ein. Hegel hingegen konnte schier nicht aufhören, über Indien nachzudenken. Und zu schreiben: 80 000 Worte! So viel Platz widmete er sonst nur noch der griechischen Philosophie. „Man kann Hegel Arroganz vorwerfen, aber keine Ignoranz“, bringt die Philosophin Nikita Dhawan sein komplexes Verhältnis zu dem auf den Punkt, was ihm letztlich wie der dunkle Doppelgänger seiner eigenen Philosophie erscheinen würde. Denn irgendwann beschlich Hegel der Verdacht, dass Indien sein Konzept des absoluten Geistes schon Jahrhunderte zuvor durch die Idee des „Brahman“ vorweggenommen hatte. Jemand, der über etwas, das er verachtete, so produktiv reflektierte, ist es wert, gelesen zu werden.
Robert Menasse, österreichischer Schriftsteller und Essayist
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