Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
Tag - Body

Bild: © Alexander Griesser.jpg

Berlinale

„Was Marielle weiß“ – Brauchen wir Lügen?

Friedrich Weißbach veröffentlicht am 19 Februar 2025 4 min

Wie viel Aufrichtigkeit verträgt eine Beziehung? In Was Marielle weiß, dem diesjährigen Berlinale-Beitrag von Frédéric Hambalek, wird diese Frage radikal auf die Probe gestellt, als Tochter Marielle durch telepathische Kräfte plötzlich jede Lüge aufdecken kann.

 

Lesen Sie hier alle bisherigen Filmbesprechungen der Berlinale 2025.


Lügen, das tut man nicht! Erst recht nicht in einer Liebesbeziehung. Wenn man sich liebt, dann ist man ehrlich zueinander. Doch kommen wir wirklich ohne Lügen im Alltag aus? Mit dieser Frage hat sich der Film Was Marielle weiß von Frédéric Hambalek auseinandergesetzt, der dieses Jahr als deutscher Beitrag im Wettbewerb der Berlinale zu sehen ist. In einem so heiteren wie erdrückenden Gedankenexperiment zeigt er die Komplexität und Vielschichtigkeit von Intimbeziehungen und eröffnet eine kreative Perspektive auf das Ideal lügenfreier Beziehungen.

Der Film erzählt die Geschichte einer Kleinfamilie aus Vater, Mutter und Kind. Der Familie geht es gut. Vater Tobias (Felix Kramer) ist leitender Lektor in einem Verlag und Mutter Julia (Julia Jentsch) eine Führungskraft in einem Wirtschaftsunternehmen. Sie leben glücklich in einem stilvoll eingerichteten Designerhaus und scheinen auf den ersten Blick den Traum einer perfekten Familie zu verkörpern. Doch das ändert sich grundlegend, als Marielle (Laeni Geiseler) aufgrund einer Schulstreiterei von einer Mitschülerin geohrfeigt wird. Plötzlich besitzt sie telepathische Fähigkeiten, die es ihr erlauben, alles zu sehen und zu hören, was ihre Eltern sagen und tun. 

 

Das Über-Ich im Kinderzimmer

 

Von nun an ist das Leben der Familie auf den Kopf gestellt. Das Lügengeflecht, das sich über die Jahre zwischen dem Ehepaar entfaltet hat, fliegt von einem auf den anderen Tag auf. Der heimliche Flirt der Mutter mit einem Kollegen, der sonst ihren Alltag etwas versüßte, kommt genauso ans Licht wie die falschen Heldenerzählungen des Vaters, in denen er sich als einen hartdurchgreifenden Alphamann auf Arbeit inszeniert. Die Enthüllungen sind peinlich und schmerzhaft und treiben einen Keil in die Beziehung der Eltern. 

Doch wie reagiert man, wenn man weiß, dass nicht nur jede Handlung, die man begeht, und jedes Wort, das man sagt, unter Beobachtung stehen, sondern dass es das eigene Kind ist, das sie sieht und hört? Was macht es mit einer Beziehung, wenn in ihr kein Raum mehr für Geheimnisse ist? In dem Film entwickelt sich die Tochter zum Über-Ich der Eltern. Das Wissen darum, dass Marielle alles sieht und hört, wird zu einer alles regulierenden Kraft in ihren Leben. Sie beginnen, jedes Wort und jede Handlung auf die Goldwaage zu legen. Das führt mitunter zu sehr unterhaltsamen Szenen. So fangen sie auf eine Art und Weise an zu sprechen, die sie vor ihrer Tochter gutheißen können. Das bedeutet: keine Schimpfwörter und kein Sextalk mehr. Aber der ständige Blick der Tochter kann auch durchaus positiv sein. Wenn etwa der Vater, um nicht schlecht dazustehen, beginnt auf Arbeit für sich einzustehen und nicht länger die Bevormundungen des Kollegen hinnimmt. 

 

Dann wirklich lieber Kant?

 

Besonderen Einfluss hat die neue Situation auf die Liebesbeziehung zwischen Tobias und Julia. Die radikale Transparenz zwingt das Ehepaar, sich mit unausgesprochenen Wünschen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Dies allerdings ohne offenen Streit oder schlechte Gefühle. Das Bild der heilen Familie muss auf Biegen und Brechen aufrecht gehalten werden. Und so nehmen die Auseinandersetzungen die Gestalt von paartherapeutischen Lehrstücken an. Liberale Moralvorstellungen, etwa dass, „wenn man sich wirklich liebt, man sich voll vertrauen sollte und es deswegen ohne Frage in Ordnung sei, wenn man etwas mit anderen Personen hat“, verkommen zur leeren Floskeln. Sie werden gesagt, aber nicht gefühlt. Der Zuschauer sieht, wie Tobias und Julia zu Robotern ihrer liberal-gesellschaftlichen Moralvorstellungen werden. Dies geht so weit, dass die Mutter mit ihrem Kollegen schläft, nur um der Tochter zu zeigen, dass es nicht schlimm, sondern ganz normal ist, wenn man in einer Beziehung auch andere Menschen begehrt und dies nicht bedeutet, dass man seinen eigentlichen Partner nicht mehr liebt. Dass Julia in diesem Moment die anfängliche Hinziehung zu ihrem Kollegen aber gar nicht mehr fühlt, ist die Kehrseite dieser vollkommenen Transparenz. 

Der Film wirft auf unterhaltsame Weise existenzielle Fragen auf: Ist es – ganz im Sinne Immanuel Kants – wirklich erstrebenswert, immer die Wahrheit zu sagen? Oder ist gerade in Beziehungen das Glück auch ganz wesentlich davon abhängig, dass man nicht alles teilt, Dinge verheimlicht und als Individuum nicht vollkommen in der Partnerschaft aufgeht? Hat die Heimlichkeit einen Wert an sich? Welche Rolle spielt das Geheimnis hinsichtlich des Begehrens innerhalb von Affären? Es ist die Stärke des Films, dass er diese Fragen aufwirft, ohne sie abschließend beantworten zu wollen. Auf der einen Seite zeigt er zwar, dass sich die Verhaltensweisen tatsächlich durch die Erhrlichkeit verbessern und die Protagonisten teilweise mehr im Reinen mit sich selbst sind. Auf der anderen Seite jedoch verdeutlicht er auch, dass Glück nicht darin liegt, allen Normen immer gerecht zu werden. Wie nicht zuletzt die Psychoanalyse ausführlich offengelegt hat, bedarf die gesellschaftliche Selbstdisziplinierung immer wieder eines Ausbruchs aus dem Normgefüge. Man denke etwa an die soziale Funktion von Partys und dem damit verbundenen Wunsch nach Rausch und Zügellosigkeit. Sie sind ein Ventil, um sich – wenn auch nicht vollkommen – etwas gehen zu lassen. Sie helfen uns den normenkodierten Alltag zu überstehen. Kurz: Kontrolle lässt sich nur durch Nichtkontrolle verwirklichen. Und so gesehen ist die Frage nicht Lüge oder Nichtlüge. Vielmehr sind die kleinen Lügen notwendig, um dem gesellschaftlichen Wahrheitsimperativ gerecht zu werden. Und jetzt mal ganz ehrlich: Wer lügt schon nicht? •
 


Friedrich Weißbach hat Philosophie und Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Sapienza Università di Roma sowie der Université Lumière Lyon 2 studiert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin und Promovend des Graduiertenkollegs „Normativität – Kritik – Wandel“.

  • E-Mail
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp

Kommentare

Armin Schmidt | Donnerstag, 20. Februar 2025 - 00:39

Zu versuchen, wenn dann die Wahrheit zu sagen scheint mir schon langfristig praktisch. Schweigen scheint mir etwas anderes als lügen. Vielleicht funktioniert Kants Argument vom Verbot der Lüge, wenn es so invertiert wird, dass das eigentliche Ansinnen gewahrt bleibt: ein Gebot der Wahrheit mit Wissen um übliche Fallibilität und allzeitige Möglichkeit von Situationsdruck. Mir scheint, das ist aber so üblich und deswegen verblasst es wieder gegen das Argument Kants.

Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.

Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!
Anzeige
Tag - Body

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. „Was Marielle weiß“ – Brauchen wir Lügen?
Philosophie Magazin Nr.Nr. 84 - September 2025
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Oktober/ November Nr. 84
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

3 Hefte frei Haus und PhiloMag+ Digitalzugang für nur 20 €

Jetzt ausprobieren!