Wo bleibt der Gegenprotest?
Protestierende besetzten Teile der HU Berlin und forderten das Ende der Beziehungen zum israelischen Wissenschaftsbetrieb. Doch wo bleibt der aktive Widerstand gegen teils antisemitische Parolen? Dieser würde die Radikalen isolieren und das wirkliche Anliegen stärken, meint Friedrich Weißbach.
Am vergangenen Mittwoch kam es zu einer Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität durch propalästinensische Kräfte. Etwa 120 Personen sind in das Gebäude eingedrungen, haben die dort arbeitenden Wissenschaftler vertrieben und sich mit Hilfe des Inventars verbarrikadiert. Die Besetzer klagten Israel an, einen Genozid zu verüben und forderten die Universität auf, dies öffentlich anzuerkennen und alle Beziehungen zum israelischen Wissenschaftsbetrieb einzustellen. Anders noch als die Universitätsleitung der Schwesteruniversität FU Berlin beschloss das Rektorat um Julia von Blumenthal, die Besetzung nicht direkt zu räumen, sondern für einen Tag zu tolerieren und mit den Besatzern in den Dialog zu treten. Zu dem Zeitpunkt kursierten bereits Videos in den sozialen Medien, die mit Parolen wie „From the River to the Sea“, „Intifada“ oder dem Symbol der Terrororganisation Hamas, einem roten Dreieck, besprühte Wände und Türen zeigten.
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