Impulse für 2025 – Ein Jahrhundert wird erwachsen

Sonderausgabe 31 - 2024/25

Das 21. Jahrhundert befindet sich in einer Quarterlife Crisis. Es weiß nicht so recht, was es will und wie sein weiteres Leben aussehen soll. Seine Eltern, der glorreiche Mauerfall und die fröhlichen 1990er-Jahre, hatten noch große Pläne mit ihm: Es sollte so werden wie sie, vielleicht noch ein bisschen liberaler und gerechter. Heute zeigt sich, dass es einen anderen Charakter hat. Es kommen immer mehr dunkle Anteile zum Vorschein: Autoritäres und Kriegerisches. Der Umgang mit neuen Technologien bereitet ihm sichtlich Probleme. Und mit dem Klimawandel kommt es überhaupt nicht zurecht. Klar ist nur, dass es so nicht weitergehen kann und dass es einen neuen Lebensplan braucht.

Wie jeder, der Probleme hat, ist das Jahrhundert gut beraten, sich Hilfe zu holen – und zwar von der Philosophie. Diese hat schon vieles gesehen und kann die Schwierigkeiten daher ganz gut einordnen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Zum Beispiel, indem sie die Zeitstimmung auf einen Begriff bringt oder versucht, eine andere zu erzeugen.

Die hier versammelten Texte wollen Wege aufzeigen, wie auch unangenehme Charakterzüge in ein stimmiges Persönlichkeitsbild integriert werden können: Kann das Jahrhundert seine Rauflust vielleicht sogar für den Fortschritt nutzen? Bietet die rasante Entwicklung der Technologie nicht auch die Möglichkeit einer besseren Gesellschaft? Und führt der Klimawandel eventuell zu einem neuen Selbst- und Naturverständnis, das unser Empfindungsvermögen steigert? Vielleicht gelingt dem strauchelnden Jahrhundert schon bald ein wichtiger Adoleszenzschub, aus dem es als gefestigte Persönlichkeit hervorgeht, die endlich weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen will.

Mit Texten von: Barbara Bleisch, Ingolfur Blühdorn, Thea Dorn, Cynthia Fleury, Benjamin Santos Genta, Donna Haraway, Aurelie Herbelot, Robert D. Kaplan, Christoph Möllers, Evgeny Morozov, Herfried Münkler, Meghan O’Gieblyn, Eva von Redecker, Sara Rukaj, Leander Scholz, Nikolaj Schultz, Peter Sloterdijk, Christian Stöcker und Liya Yu.

 


 

Bild: Philotheus Nisch

 

Das Ringen um die Ordnung

Der Liberalismus befindet sich in der Defensive. Neue Großmächte und populistische Parteien machen ihm das Leben schwer. Droht nun sein Ende? Stehen all seine Errungenschaften zur Disposition – die individuelle Freiheit, die Verfassungsinstitutionen, das Toleranzgebot? Oder wird er gestärkt aus dieser Bedrängnis hervorgehen? Schließlich waren Krisen schon immer die beste Gelegenheit für eine Frischzellenkur.

 


 

Bild: Tonje Thilesen

 

Wege ins Maschinenzeitalter

Seit jeher zählen Utopien und Dystopien zu den Lieblingserzählungen bürgerlicher Gesellschaften. Konzentrierten sie sich anfangs eher auf Politik und Wirtschaft, nehmen sie heute besonders die Technologie in den Blick. Die rasante Entwicklung von KI und Robotik weckt Ängste vor dem Untergang der Menschheit – aber auch Hoffnungen auf eine befreite Gesellschaft.

 


 

Bild: Tonje Thilesen

 

Aufwachen im Anthropozän

Die Moderne war einst angetreten, den Menschen von allen Fesseln zu befreien – etwa von Gott, Autorität und Natur. Vor allem Letztere zeigt sich damit jedoch immer weniger einverstanden. Klimawandel, Artensterben und Ressourcenschwund führen der Menschheit ihre Naturhaftigkeit vor Augen. Wie wird sie damit umgehen? Wird sie durchdrehen oder sich dem neuen Schicksal fügen – und vielleicht über Umwege das alte Emanzipationsversprechen einlösen?

 


 

 

Bild: Kristin Bethge

 

Orientierung im Denken

Wie wir denken, bestimmt unseren Umgang mit uns selbst und anderen: in Bildern oder Formeln, zweiwertig oder nonbinär, in Übereinstimmung oder in Widerspruch zu Autoritäten, ressentimentgeladen oder voller Handlungshoffnungen. Oft entziehen sich Denkweisen unserer freien Wahl. Doch da sie im Leben wurzeln, können sie eingeübt, abgelegt und umgebogen werden.

 


 

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