Antonio Negri: „Der Klassenkampf ist kein Spaziergang“
Am Wochenende ist Antonio Negri gestorben, der als einer der einflussreichsten Denker der Gegenwart galt. Für sein politisches Engagement verbrachte der Kommunist mehrere Jahre in Haft. 2018 sprachen wir mit ihm über marxsche Begriffe im 21. Jahrhundert und seinen Traum von einer Welt der Unternehmer.
Wenige Philosophen haben Denken und Handeln, Begriffsarbeit und politisches Engagement so eng miteinander verbunden wie er. 1933 unter dem italienischen Faschismus geboren, vertiefte sich Antonio Negri als Student zunächst in die Rechtsphilosophie Hegels sowie in die Phänomenologie und den Personalismus Emmanuel Mouniers. Nach dem Krieg lehrte er bereits als 25-Jähriger an der Universität von Padua. Kommunist wurde Negri 1954/1955, als er ein Jahr in einem israelischen Kibbuz verbrachte. Er sieht dies als Berufung und als Rückkehr zum Ursprung: Sein 1936 verstorbener Vater hatte die Zelle der Kommunistischen Partei in Livorno mitbegründet. Seitdem hat Negri sich immer wieder eingemischt und ein theoretisches Projekt vorangetrieben, das auf einer Neulektüre von Marx, Machiavelli und Spinoza beruht. Er war einer der Köpfe des Operaismus (von ital. operaio, Arbeiter), einer bedeutenden italienischen Arbeiterbewegung, die nach der Ermordung des Ex-Ministerpräsidenten Aldo Moros im Jahr 1978 harsche Repression erfuhr. Im Laufe seines Lebens verbrachte Negri insgesamt zehn Jahre in Haft und unter Hausarrest. 2018 veröffentlichte er gemeinsam mit dem amerikanischen Literaturwissenschaftler Michael Hardt Assembly. Das Buch setzt Reflexionen über die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus fort, die die beiden mit dem weltweiten Bestseller Empire (2000) begonnen hatten.
Herr Negri, „Assembly“ ist das fünfte Buch, das Sie mit Michael Hardt verfasst haben. Eine Doppelautorschaft ist in der Philosophie ungewöhnlich. Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit?
Zunächst führen wir Diskussionen, die einen ersten Plan entstehen lassen. Dann teilen wir auf. Jeder liest, schreibt, schickt seinen Text dem anderen, der ihn umschreibt, erweitert. Wir telefonieren häufig und sehen uns viermal im Jahr, um eine Woche lang konzentriert zu arbeiten. Wenn das Buch fertig ist, lässt sich nicht mehr unterscheiden, was von ihm und was von mir stammt, es ist wirklich ein gemeinsam geschaffenes Werk.
Nicht wie bei den Büchern, die Gilles Deleuze und Félix Guattari zusammen veröffentlicht haben, die aber offenbar im Wesentlichen auf Deleuze zurückgehen …
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Kommentare
Dem geneigten, politisch interessierten Leser empfehle nachzulesen zu Italiens politischer Dynamik über Jahrzehnte, Parlamentszusammensetzung (besonders Parteienzahl), und Wahlrecht. Ich schätze, dass mit einer guten Wahlrechtsreform viele erstaunlich gute Dynamiken in Italien möglich sind.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.