Augenblick, verweile
Abendessen, Konzert, Yoga: Unsere Kalender werden immer voller. Doch bringt uns das näher zu einer erfüllten Existenz? Was heißt es, den Moment zu erleben? Drei Konzepte der Gegenwärtigkeit geben Aufschluss.
Carpe Diem
Wandtattoo in der Eisdiele, geflügeltes Wort im Aufsatz für den Deutschkurs: Carpe diem hat als Motto etwas von seinem Glanz eingebüßt. Das mag auch daran liegen, dass gar nicht so klar ist, was es überhaupt bedeuten soll, „den Tag zu pflücken“, wie es wortwörtlich heißt. Ihn wie eine Blume aus der Wiese reißen? Mehr noch: Soll man, wenn sie welk wird, gleich wieder nach einer neuen greifen? Angesichts recht düsterer Prognosen für die Zukunft hat so manch einer vielleicht das Bedürfnis, einen ganzen Strauß mitzunehmen: nach mir die Sintflut. Auch wenn man dem römischen Dichter Horaz, dem das carpe diem zugeschrieben wird, ein wenig Unrecht tut mit dieser Zuspitzung – er wollte den Blick vom ungewissen Morgen auf die Gegenwart lenken –, so wohnt dem Ausspruch doch eine Ambivalenz inne, der auf die griechische Antike zurückgeht.
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Augenblick, verweile
Die Zeit anhalten. Den Augenblick genießen. Aufgehen in voller Gegenwärtigkeit. Das Glück im Jetzt, es scheint so leicht – und bildet doch den größten Sehnsuchtspunkt des Menschen. „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“ So lautet die Wette, die der unglückliche Faust in Goethes gleichnamigem Drama mit dem Teufel Mephisto abschließt. Faust, einsam und gefangen in seiner Strebsamkeit, kann sich nicht fallen lassen in die Zeitlosigkeit der Lust. Und so verspricht der Wissenschaftler dem Teufel seine Seele, wenn es diesem gelingt, ihn aus seinem verbissenen Sein zu befreien, das stets genau weiß, wohin es will, und darüber sein Leben, genauer: die Liebe verpasst.
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