Der Leere ins Auge sehen
Ohne Beschäftigung wird unser Geist schnell nervös. Die fernöstlichen Philosophien haben dieses Leiden durchschaut wie kaum eine andere Denktradition. Sie weisen zwei unterschiedliche, doch nicht gegensätzliche Wege, um inneren Frieden zu finden.
Den aus Asien stammenden spirituellen Strömungen wird ein gewisser Quietismus nachgesagt. Darin liegt durchaus ein wahrer Kern, der jedoch nicht so offensichtlich ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn was bedeutet Quietismus? Zunächst einmal ist da die Vorstellung von Ruhe, die fernöstlichen Lehren mehr oder weniger treffend zugeschrieben wird. Mehr oder weniger treffend, weil die Missverständnisse nicht erst beginnen, wenn man das Taurusgebirge überquert, sondern bereits in unseren abendländischen Gefilden, wo der Begriff der Ruhe sehr unterschiedlich gebraucht wird. Im Französischen beispielsweise bezieht sich der entsprechende Begriff calme zunächst gar nicht auf diesen angenehmen Zustand innerer Ruhe, sondern auf einen besorgniserregenden Mangel an Aktivitäten, wie das französische Wort für Arbeitslosigkeit chômage sehr gut verdeutlicht, das etymologisch von calme abstammt und dessen Bedeutung treu geblieben ist.
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Mein Leben ohne Smartphone
Kein schnelles E-Mail-Checken, keine allzeit verfügbare Bahn-App, keine Lieblingsplaylist: Erzeugt Smartphone-freies Dasein nicht eher Nervosität als Ruhe? Unsere Autorin wagt es trotzdem und erkennt: Selbst vermeintliche Nachteile erzeugen eine ganz eigene Beziehung zur Welt.

Jacob Böhme und die Gelassenheit
Angesichts multipler Krisen verbreiten sich Misstrauen, Wachsamkeit und Nervosität. Der Mystiker und Philosoph Jacob Böhme vertrat als Reaktion auf den Dreißigjährigen Krieg dagegen die Auffassung: Was wir brauchen, ist Gelassenheit.

Einfach leben - Warum ist das so kompliziert?
Einfach leben, das klingt so leicht. Nach Gelassenheit, geistiger Weite. Nach einer Existenz, die ihre Freiheit in der Beschränkung findet. Nach Balance, Übersicht, Halt. Doch wer versucht, ein solches Dasein auf Dauer zu stellen, scheitert schnell an den Realitäten des Alltags – und auch an sich selbst. Wie verzichten in einer Welt, die permanent Neues anpreist? Wie ausgeglichen sein, wenn Verlangen und Lust – ganz zu schweigen von den Ansprüchen der anderen – die innere Ruhe permanent stören? Die Philosophie zeigt drei Wege zum einfachen Leben auf: Erst die Übung führt uns zur Leichtigkeit. Das Geheimnis einer erfüllten Existenz ist die Leere. Das Wesentliche zu sehen, setzt Selbsterkenntnis voraus. Askese, Minimalismus, Authentizität: Einfachheit beginnt in uns.
Warum machen wir nicht mehr aus unserer Freiheit?
Wir sind so frei wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und doch fühlen wir uns oft gefangen, erdrückt von Anforderungen, getrieben durch inneren Leistungszwang. Was wäre das für ein Dasein, könnten wir es auskosten. Den Augenblick genießen, anstatt ihn zu verpassen. Aus schalen Routinen ausbrechen, weniger arbeiten, Neues wagen – im Zweifelsfall auch gegen gesellschaftlichen Widerstand. Mehr Muße, mehr Lebendigkeit, mehr Spontaneität: Warum packen wir Kairos nicht beim Schopfe, wagen den entscheidenden Schritt? Sind wir zu feige? Zu vernünftig? Zu faul? Christoph Butterwegge, Claus Dierksmeier, Nils Markwardt, Robert Pfaller, Richard David Precht und Nina Verheyen über Wege in eine freiere Existenz.
Das Ideal der Intensität
Man kennt es aus Filmen und Romanen: Die Frage nach dem Lohn des Lebens stellt sich typischerweise erst im Rückblick. Als Abrechnung mit sich selbst und der Welt. Wenn das Dasein noch mal vor dem inneren Auge vorbeifliegt, wird biografisch Bilanz gezogen: Hat es sich gelohnt? War es das wert? Würde man alles wieder so machen? Dabei läge es viel näher, die Frage, wofür es sich zu leben lohnt, nicht so lange aufzuschieben, bis es zu spät ist, sondern sie zum Gradmesser von Gegenwart und Zukunft zu machen. Zum einen, weil sie so gegen spätere Reuegefühle imprägniert. Wer sich darüber im Klaren ist, was das Leben wirklich lebenswert macht, wird gegenüber dem melancholischen Konjunktiv des „Hätte ich mal …“ zumindest ein wenig wetterfest. Zum anderen ist die Frage als solche viel dringlicher geworden: In dem Maße, wie traditionelle Bindungssysteme an Einfluss verloren haben, also etwa die Bedeutung von Religion, Nation und Familie geschwunden ist, hat sich der persönliche Sinndruck enorm erhöht. Wofür lohnt es sich, morgens aufzustehen, ja, die Mühen des Lebens überhaupt auf sich zu nehmen? Was genau ist es, das einem auch in schwierigen Zeiten Halt verleiht? Und am Ende wirklich zählt – gezählt haben wird?
Mirna Funk: „Opfer zu sein, muss man sich leisten können“
Was lehrt uns die jüdische Geistesgeschichte über eine gute Streitkultur, ethische Pflichten und Liebe auf Augenhöhe? Darum geht es in Mirna Funks jüngst erschienenem Buch. Im Gespräch gibt sie Einblicke in eine Denktradition, die erstaunen lässt.

Das Sumimasen-Prinzip
In der westlichen Kultur ist das Ich das Zentrum der Freiheit. Japan ist von einer anderen Geistesgeschichte getragen, mit weitreichenden Konsequenzen für das gesellschaftliche Miteinander. Was können wir von dem fernöstlichen Land lernen – gerade jetzt?

Schätze und Irrtümer
Von Krisen und Ungleichheit bis zur Forderung nach einem Systemwechsel – unsere Zeit bietet viele Anknüpfungspunkte für die Beschäftigung mit Marx. Prominente Personen erzählen, welche Erkenntnisse, aber auch Trugschlüsse sie mit ihm verbinden
