Robert Feustel: „Der Junkie ist eine moderne Erfindung“
Der Politikwissenschaftler und Diskursanalytiker Robert Feustel spricht im Interview über die Geschichte der Rauschmittel-Prohibition, Drogenverbote als moderne Machttechnologie und den verengten Drogendiskurs der Gegenwart.
Das Bundeskabinett hat kürzlich die teilweise Legalisierung von Cannabis beschlossen. Gleichzeitig werden verschiedene Rauschmittel weltweit immer häufiger in psychotherapeutischen Behandlungen eingesetzt, seit Juli 2023 erlaubt Australien als erstes Land die Verschreibung von Psilocybin und MDMA, und so deren Verwendung auch jenseits von Studien. Erleben wir im Hinblick auf Drogen gerade eine Art diskursiven Wandel?
Ich wäre vorsichtig damit, vorschnell einen drogistischen Turn auszurufen. Nicht selten gibt es kurze Konjunkturen, die dann bald schon wieder abebben. Aber es stimmt schon, dass die drogenideologische Front allmählich an verschiedenen Stellen bröckelt. Die Wissenschaft belegt inzwischen den therapeutischen Nutzen psychoaktiver Substanzen unter kontrollierten Bedingungen. Teile der Politik wiederum scheinen langsam zu verstehen, dass Verbote nicht unbedingt der beste Hebel sind, um von Drogen verursachte Probleme in den Griff zu kriegen.
Ist die Drogenprohibition historisch gesehen ein junges Phänomen?
Ja, sehr jung. Es gibt in der Geschichte zwar vereinzelte Episoden, in denen Drogen zum Gegenstand staatlicher Repression werden. Zum Beispiel Anfang des 17. Jahrhunderts: Dem osmanischen Sultan Murad IV. war es unerträglich, dass die Tabak- und Kaffeehäuser Zentren öffentlicher Diskussion und mithin Orte der Kritik und Opposition geworden waren. Daher ließ er 1633 alle Tabakhäuser niederreißen und belegte das Tabakrauchen mit der Todesstrafe. Im Großen und Ganzen aber ist die Prohibition ein modernes Phänomen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein sind Drogen in allen möglichen Formen für staatliche Akteure kein relevantes Thema. Ändern sich die Applikationsformen, so dass der moderne Staat reagieren muss? Einiges weist allerdings darauf hin, dass Drogen als Mittel ideologischer Stimmungsmache gegen unliebsame Minderheiten entdeckt werden.
Stellt die Drogen-Prohibition mit Michel Foucault gedacht eine spezifisch moderne Machttechnik dar, als Instrument einer positiven Bevölkerungspolitik moderner Staatsapparate?
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