Wenn man nicht weiß, was real ist, gibt es einen Weg, zur Realität zu kommen?
Im August erscheint Anton Leists Buch Lebensdinge. Alltagsphilosophische Zugänge (Meiner Verlag). Bis dahin veröffentlichen wir vorab alle zwei Wochen einen Essay aus dem Buch zu einer alltäglichen Frage mit philosophischer Tiefe.
Kurze Antwort: Ja, aber am Ende ist nur der Weg selbst die Realität.
Lange Antwort: Wie kommst du nur darauf, wir wüssten nicht, was real ist? Wir rennen täglich an das, was real ist! Wenn ich den Bus verpasse, weiß ich hinreichend, was real ist!
Das ist freilich eine ziemlich vieldeutige Intervention, die (in der Philosophie) sowohl Futter für Realisten wie Pragmatisten abgibt. In der Philosophie hat sich am Beginn des 20. Jahrhunderts mit den amerikanischen Pragmatisten eine Bewegung gefunden, die aus der Unzufriedenheit angesichts endloser Diskussionen über Wahrheit ein ‚Praxiskriterium‘ festlegte: ‚Real ist, was hilft‘. Der scharfsinnige Bertrand Russell hat dagegen schon früh die realistische Gegenstimme erhoben, ohne natürlich den Reiz des Praxiskriteriums zum Verschwinden zu bringen. Denn natürlich gilt: Muss denn alles, was als ‚real‘ gelten soll, auch praxistauglich sein? Was ist der Nutzen der realen Entfernung Erde-Mond? Und selbst wenn wir das Kriterium in die Frage hineinzwängen: Wird die Entfernung geringer, wenn man den Mond aufgrund besserer Technik schneller erreichen kann? Kann die Realität (also das, was Realität sein soll) unseren Absichten unterworfen werden, anstatt dass wir Menschen uns in unseren Absichten nach der Realität strecken? Wenn Ersteres möglich wäre, wie kommt es dann, dass einem der Bus doch ab und zu davonfährt? Natürlich, wie das Spiel mit Begriffen so ist, gegen solche Einwände gibt es auf abstrakter Ebene immer gedankliche Manövrierräume. Die Verhältnisse werden ungreifbar und diffus, wenn man sie nur allgemein genug ansieht. Dieser Tendenz sollten wir hier aber nicht nachgeben.
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