Medusas Spiegel
Wie Worte finden für eine Gewalt, die sich gegen Zivilisten richtet, ohne sich dabei auf eine Seite zu schlagen? Der Begriff des „Horrorismus“ kann hier weiterhelfen, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.
Gewalt und Sprachlosigkeit hängen häufig zusammen. Nach dem Massaker, das die Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel verübte, konnte Sprachlosigkeit als angemessene Anteilnahme auftreten, aber auch als Symptom von Gleichgültigkeit gegenüber jüdischem Leiden. Letzteres beklagte etwa Sascha Chaimowicz, der in der ZEIT die Reaktionen auf den 7. Oktober mit denen nach dem Anschlag auf das World Trade Center verglich. Keine Schweigeminute diesmal. Und keine Blumen, abgesagte Fußballspiele und einhellige Verurteilungen.
Mich bestürzt, was Chaimowicz beschreibt, und doch scheint mir, dass der Vergleich bereits zum Teil erklärt, was er kritisiert. Die öffentliche Trauer nach 9/11 hat sich im Nachhinein als Teil einer Mobilisierungsstrategie herausgestellt, die in den „Krieg gegen den Terror“ mündete. Dieser kostete eine Million Menschenleben und gilt inzwischen selbst aus Sicht seiner schärfsten Befürworter als gescheitert. Die Sprachlosigkeit angesichts der Gewalt der Hamas mag also auch so etwas wie ein angehaltener Atem gewesen sein: die Befürchtung, dass die Verteidigungsstrategie der Regierung Netanjahus für die palästinensischen Bewohner des Gazastreifens in Vertreibung und horrenden Opferzahlen enden könnte.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Trigger Transgender
Weniges reizt die Gemüter so sehr wie das Thema Trans. Oft schlagen die Aggressionen in handfeste Gewalt um. Sie richtet sich gegen Menschen, die sich nicht mit jenem Geschlecht identifizieren, das in ihrer Geburtsurkunde steht. Aber woher rührt die Ablehnung, woher kommt der Hass? Welche Rolle spielen dabei unsere Vorstellungen von Normalität? Eine Spurensuche in Schottland.

Eva von Redecker: „Revolutionen entstehen aus Sehnsucht nach Lebenszeit“
Zahlreiche zeitgenössische Protestbewegungen fasst Eva von Redecker als „Revolutionen für das Leben” auf. Indem sie sich gegen Artensterben, Femizide sowie Naturzerstörung wenden, stellen sie der kapitalistischen Ausbeutung utopische Alternativen entgegen.

Eva von Redecker: „Ich will die Freiheit und prekäres, verwobenes Leben wahren“
Angesichts der ökologischen und klimatischen Katastrophe denkt Eva von Redecker in ihrem gerade erschienenen Buch über Bleibefreiheit nach. Im Interview spricht sie über die Todesverdrängung der Liberalen, die Bedeutung einer lebendigen Welt und darüber, was Zeit zu „erfüllter Zeit“ macht.

Das G-Wort
Wer den Krieg in Gaza als Genozid bezeichnet, setzt sich dem Vorwurf aus, ihn mit dem Holocaust auf eine Stufe zu stellen. Unsere Kolumnistin Eva von Redecker sah lange davon ab, den Begriff zu verwenden. Doch nun hat sie ihre Meinung geändert.

Protest für die Normalität
Auf Deutschlands Straßen regt sich Widerstand gegen Remigrationspläne und andere menschenrechtsverletzende Vorhaben der AfD. Das ist gut so. Und doch wird bei genauem Hinsehen für das Falsche gekämpft, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.

Erinnerungskultur in der Schockstarre
Im Zusammenhang der Proteste gegen den Krieg in Gaza wird der Antisemitismus-Vorwurf oft laut – und zwar bevorzugt als handliche Formel, an die sich Gesinnungsprüfungen knüpfen. Durch eine solche Praxis schadet sich die Erinnerungskultur selbst, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.

Die Macht der Destruktion
Jüngst taufte Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter, den er 2022 erwarb, in „X“ um. In diesem neuen Namen zeigt sich die zerstörerische Logik des Besitztums selbst, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.

Das Leiden der anderen
Die Zeichen der Zeit stehen auf Migrationsabwehr. Die dafür angeführten, vermeintlich objektiven Gründe folgen einem „Anrecht auf Grausamkeit“, das bereits Nietzsche beschrieb, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.

Kommentare
Terrorismus als Herrschaft des Schreckens hat wohl in jedem Jahr der Menschheitsgeschichte auch Horror als Eindruck verursacht. Es ist eine schlimme Perspektive, dass das punktuell schlimmste wahrscheinlich noch lange in der Zukunft liegt und auch Grausamkeit für den Kriegsgebrauch nach modernen wissenschaftlichen Methoden optimiert wird.
Damit man und frau in Folge von Horror weniger unter Angst leiden müssen, hilft es vielleicht neben anderen Herangehensweisen im Leben des Einzelnen
- zu versuchen, sich und seine Gruppen wahrscheinlich nur ausreichend zu befreien, so dass weniger Grund für ängstigende Verhältnisse entsteht,
- zu versuchen, was wahrscheinlich am Besten für alle ist, so dass man eine innere, begründete, und auch nachweisbare Gewissheit entwickelt, dass man gut gewirkt hat, wenn man in gruselige/horrible Situationen gerät.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.
Antwort auf Terrorismus als Herrschaft… von armin.schmidt
kleine Erweiterung:
Terrorismus als Herrschaft des Schreckens hat wohl in jedem Jahr der Menschheitsgeschichte auch Horror als Eindruck verursacht. Es ist eine schlimme Perspektive, dass das punktuell schlimmste wahrscheinlich noch lange in der Zukunft liegt und auch Grausamkeit für den Kriegsgebrauch nach modernen wissenschaftlichen Methoden optimiert wird.
Damit man und frau in Folge von Horror weniger unter Angst leiden müssen, hilft es vielleicht neben anderen Herangehensweisen im Leben des Einzelnen
- zu versuchen, sich und seine Gruppen wahrscheinlich nur ausreichend zu befreien, und dazwischen
- zu versuchen, was wahrscheinlich am Besten für alle ist,
beides, so dass weniger Grund für ängstigende Verhältnisse besteht und so dass man eine innere, begründete, und vielleicht auch teilweise nachweisbare Gewissheit entwickelt, dass man gut gewirkt hat, wenn man in gruselige/horrible Situationen gerät.
Ich danke für die Möglichkeit, mich zu verbessern.