Ein Bund für die Ewigkeit
Im Zentrum unserer Kultur steht die Liebe. Sie zu finden, gilt als Bedingung des gelungenen Lebens. Zu Unrecht, argumentiert Eva Illouz: In Wahrheit ist es die Freundschaft, die hält, was die Liebe verspricht.
Die romantische Liebe – Inspirationsquelle so vieler schwärmerischer Gedichte und Romane – ist im Großen und Ganzen ein jämmerlicher Reinfall. Jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, kann sehen, dass der Weg der romantischen Liebe mit unendlich vielen unwürdigen Situationen gepflastert ist: enttäuschende erste Dates; erniedrigende One-Night-Stands; gebrochene Versprechen; halbherzige Verpflichtungen; ein gemeinsames Leben, das im Sumpf von Lüge und Verrat endet. Vielleicht noch schlimmer: Leben, die miteinander verbunden bleiben und ihre Erschöpfung und ohnmächtige Wut immer weiter in Szene setzen.
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Kommentare
Danke für dieses schöne Essay, dem ich weitgehend zustimmen kann.
Doch die Abwertung der Freundschaft gegenüber der idealisierten Liebe ist keine Verschwörung, sondern dient der Erhaltung des herrschenden Konkurrenzsystems. Konkurrenz ist ohne Vereinzelung sinnlos. Paarliebe und Familie setzen der Vereinzelung nichts entgegen, Freundschaft hat aber dazu die Möglichkeit.
Mit der idealisierten sexbezogenen Paarliebe ist nur ein Teil von Liebe erfasst, es gibt ja auch noch Formen von Liebe, die nichts mit Sex zu tun haben: Wie Nächstenliebe, zu Kindern oder die platonische Liebe. Dazu würde ich auch die Beziehungen David-Jonatan und Rut-Noomi zählen. Allgemein ist Liebe die innere Motivation, für das Wohlergehen von Anderen zu sorgen.
Auch Freundschaft ist Liebe: Sie ist Liebe, die sich ihrer Grenzen bewusst ist. Aus dieser Bewusstheit heraus erwartet sie weder Perfektion und Erhabenheit noch Ausschließlichkeit. Gerade dadurch ist sie in der Lage, freundschaftliche Netze zu bilden, die der Vereinzelung entgegenwirken und ein System des Miteinanders in Aussicht stellen.