Thomas Strässle: „Gelassenheit muss ständig tätig erneuert werden“
Gelassen sein: Das klingt, als müsste man sich nur in Passivität üben. Doch es ist komplizierter. Ein Gespräch mit Thomas Strässle über die Kernkompetenz des 21. Jahrhunderts.
Während wir miteinander sprechen, befinden Sie sich für ein kleines Sabbatical im Tessin. Braucht es solche Auszeiten fernab vom stressigen Alltag, um zur Gelassenheit zu finden?
Das mag Sie jetzt erstaunen, aber ich würde sagen, die Autonomie und Ruhe eines Sabbaticals sind auch eine Herausforderung. Im Stress hat man keine Zeit, ewig zu zaudern und zu zögern, sondern man überlässt sich dem Tempo, das von außen vorgegeben wird. Das kann auch eine gewisse Befreiung und Erleichterung sein. Wenn Sie einen stressfreien Umgang mit Stress finden, kann das durchaus positive Wirkungen haben. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Stress den Körper trainieren, das Immunsystem stärken und die Denkleistung erhöhen kann. Natürlich meine ich keinen Dauerstress, der ist ungesund. Aber wir sollten den Umstand, dass viel los ist, nicht immer negativ sehen, sondern auch seine positiven Seiten erkennen. Wenn man Stress als Vitalisierungsmoment verwendet, kann man ihn auch in positive Energie ummünzen.
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Die neue Sonderausgabe: Die Kunst des Nichtstuns
Wir leben in einer Gesellschaft der Tätigen und sehnen uns nach Ruhe. Wie sähe ein Leben aus, in dem wir schamlos faulenzten, der Stille lauschten und Gelassenheit kultivierten? Wo und wie finden wir Muße? Und kann im Müßiggang nicht auch eine Form der Gesellschaftskritik verborgen sein? Nichtstun ist eine Kunst mit utopischem Potenzial. Es lohnt, sich in dieser zu üben.
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Gibt es ein Recht auf Faulheit?
Der moderne Leistungsträger definiert sich durch das, was er tut. Stillstand ist für ihn gleichbedeutend mit Tod. Aber welche Bedeutung hat die Passivität für unsere Existenz? Ein Dialog zwischen Thomas Strässle und Lukas Bärfuss.

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Dialog zwischen Alice Lagaay und Heinz Bude: Ordnung oder Zufall - wo wohnt die Gelassenheit?
Die Überbetonung des Ichs ist das zentrale Stressmoment des modernen Menschen. Wie aber wäre wahre Gelassenheit zu finden: In der Akzeptanz des Zufälligen – oder dem Glauben an eine höhere Macht? Die Philosophin Alice Lagaay diskutiert mit dem Soziologen Heinz Bude.

Braucht mein Leben ein Ziel?
Und, wie lautet Ihr Ziel im Leben? Sie haben doch eins, oder? Kaum ein Mensch, der sich dem Druck dieser Frage entziehen könnte. Sie trifft das Zentrum unserer Existenz, legt tiefste Wünsche und Hoffnungen frei – und nicht zuletzt auch Ängste. Was, wenn ich mein Ziel nicht erreiche? Was, wenn ich mein Ziel noch gar nicht kenne? Und vor allem: Was, wenn es gerade selbst gesetzte Ziele wären, die mein Leben einengen und mich unglücklich machen? In der Frage nach dem Lebensziel prallen zwei menschliche Sehnsüchte aufeinander. Die nach einem tätigen Leben in dauerhaft sinnvoller und zielgerichteter Selbstbestimmung. Und die nach einer tief entspannten Existenz in lustvoller Gelassenheit. Wie sähe wohl ein Leben aus, dessen Ziel darin bestünde, beide Ideale miteinander zu vermitteln?
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Im Schatten der Wahrheit
Das Werk Martin Heideggers markiert einen Wendepunkt in der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Ausgehend von der Frage nach dem Sein erschließt der Philosoph eine radikal neue Sicht auf unsere geschichtliche Existenz. Seine Sehnsucht nach einem fundamental erneuerten Weltverhältnis führte den Denker dabei nicht zufällig auf politische Irrwege
Thomas Piketty: „Eigentum muss permanent umverteilt werden“
Die soziale Schere wird immer größer. Der Ökonom Thomas Piketty schlägt gegen diesen Trend einen partizipativen Sozialismus vor. Ein Interview.
