Die Kunst des Nichtstuns

Sonderausgabe 33 - Sommer 2025

Nichts planen, denken, lösen, aufräumen – das erlauben sich die meisten Menschen, wenn überhaupt, nur auf ihrer kleinen Auszeitinsel namens Ferien. Doch kaum hat die Fähre oder der Flieger sie in den Alltag zurückbefördert, ist alles wieder beim Alten. Wie aber sähe ein Leben aus, in dem wir uns Raum nähmen für ein robusteres Nichtstun? Für ausgiebiges Löcher-in-die-Luft-Starren, fürs Flanieren selbst an Wochentagen, für schamlose Faulenzerei?

Eine passivere, gelassenere Form des Daseins zu kultivieren, ist eine Kunst. Sie besteht darin, sich das produktivitätsverliebte Machen abzugewöhnen und andere, aufmerksamere und langsamere Formen des Tuns zu entdecken. Wer der Stille lauscht, hört nicht nichts, sondern oft mehr. Wer wartet, schlägt nicht die Zeit tot, sondern kostet die Leere aus. Wer meditiert, ist nicht einfach geistig abwesend, sondern übt sich im Loslassen.

Zugegeben: Die Suche nach mehr Muße, Ruhe und Gelassenheit könnte angesichts der derzeitigen Weltlage als unanständig und unzeitgemäß empfunden werden. Wer kann sich bei all den Kriegen, bei Klima- und Demokratiekrise guten Gewissens zurücklehnen?

In Wahrheit aber liegt im Nichtstun auch eine Form der Gesellschaftskritik. Der Müßiggänger, die Tagträumerin und der Meditierende sagen nicht laut Nein. Doch wo sie mehr suchen als lediglich Erholung vor der nächsten Arbeitswoche, hat ihre Praxis utopisches Potenzial. So gesehen ebnen Untätigkeit und Kontemplation nicht nur den Weg in ein beglückenderes, sondern auch in ein besseres Leben.  
 

Mit Jenny Odell, Thomas Strässle, Martin Seel, Alexis Lavis, Philipp Wüschner, Heidi Lucja Liedke, Racha Kirakosian, Sandrine Alexandre u. v. m.

 

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