Grundeinkommen für Surfer
Warum sollte man denen Geld geben, die sich für ein Leben in Muße entscheiden? Diese Frage entzweite Ende der 1980er-Jahre zwei politische Philosophen und brachte eine umstrittene Figur hervor: den Surfer von Malibu.
Die Szene spielt an einem Morgen im November 1987 in Paris im Hôtel des Grands Hommes. Der amerikanische Philosoph John Rawls, ein Gigant der politischen Philosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist anlässlich der französischen Übersetzung seines erstmals 1971 erschienenen Werks Eine Theorie der Gerechtigkeit zu einem Kolloquium eingeladen. Dort trifft er auf den jungen belgischen Philosophen Philippe Van Parijs. Dieser ist ein begeisterter Leser von Rawls und nutzt die Tatsache, dass beide Frühaufsteher sind, um ihn beim Frühstück anzusprechen.
In seinen Augen, erklärt Van Parijs, spreche Rawls’ Gerechtigkeitstheorie und sein Ideal einer fairen Gesellschaft für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Antwort seines Mentors fällt scharf aus: „Wenn Sie sich dafür entscheiden, den ganzen Tag in Malibu zu surfen, warum sollte die Gesellschaft Sie dann ernähren?“ Van Parijs bestätigte diese Anekdote in einem Interview im Sender France Culture im Jahr 2019 und präzisierte: „Was sich im Frühstücksraum des Hôtel des Grands Hommes abspielte, war eine der größten intellektuellen Enttäuschungen meines Lebens.“
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