Ewiger Schlaf durch logischen Fehlschluss?
Das Klischee der jungen Partygeneration verblasst. Auf den eigenen Schlaf zu achten, wird jungen Menschen immer wichtiger, sie gehen immer früher ins Bett. Doch wie früh ist früh genug?
Das Sandmännchen ist gerade vorbei, schon geht man ins Bett. Es ist ein Trend, auf den zuletzt das Wall Street Journal aufmerksam machte: Junge Menschen gehen durchschnittlich immer früher schlafen. Nein, es geht nicht um Kinder, sondern um junge Erwachsene. Es scheint cool geworden zu sein zu sagen: „Sorry, das In-den-Club-Gehen wird mir zu spät, aber lass uns doch morgen Vormittag einen Kaffee trinken.“ Immer beliebter werden auch sogenannte Day-Partys, die am Nachmittag beginnen und am Abend enden. Das neue Mitternacht ist 21 Uhr.
Die Gründe für diesen Trend liegen – Sie ahnen es bereits – im Selbstoptimierungs-Zeitgeist: Wer früher schlafen geht, steht früher auf. Wer früher aufsteht, kann vor allen anderen produktiv sein. Eine regelmäßige Zubettgehzeit ist außerdem gut für die Gesundheit. Und was produktiver und gesünder macht, wird online zum Trend. Unter #earlybedtimeroutine werden penibel geregelte Abend- und Morgenroutinen geteilt, die aus Skincare, Tee und Home-Workouts bestehen.
Gute Nacht um acht
Wer die geeigneten Mittel zum eigenen Zweck ergreift, handelt rational. So versteht die analytische Philosophie „instrumentelle Rationalität“. Sind die Frühaufsteherinnen instrumentell rational? Vermutlich schon: Ihr Zweck ist mehr Produktivität und Gesundheit. Den erreichen sie durch das Mittel eiserner Disziplin. (Doch Fragen nach Sinnhaftigkeit und Glück scheinen außen vor zu bleiben.)
Nur manche scheinen es etwas zu ernst zu meinen. My 8 PM bedtime routine oder How I wake up at 3.30 every day heißen ihre Videos. Wer sich bei Sonnenschein ins Bett legt und mitten in der Nacht aufsteht, arbeitet gegen den eigenen Biorhythmus. Auf Dauer so zu leben, ist nicht instrumentell rational. Denn ein künstlich antrainierter Schlafrhythmus ist kein Mittel zum gesünderen und produktiveren Leben. Hinter dieser Annahme steckt ein Fehlschluss:
Früh ins Bett zu gehen, ist gesund, also ist früher ins zu Bett gehen, noch gesünder. Demnach ist es noch mal gesünder, um 16 Uhr schlafen zu gehen. Noch besser um 10 Uhr vormittags. Die Zubettgehzeit lässt sich immer weiter nach vorne verlegen. Ein infiniter Regress. Geht dieser Trend so weiter, legt sich Gen Z bald morgens schlafen. Und macht doch wieder die Nacht zum Tag. •