Deliberation
Vom lateinischen deliberare (abwägen). Der Begriff hat üblicherweise sowohl eine rechtliche (ein Gericht berät sich vor der Urteilsverkündung) als auch eine politische Bedeutung (ein Parlament debattiert einen Entwurf). Aber er impliziert nicht zwingend die Präsenz einer Gemeinschaft. In der Philosophie ist damit vielmehr ein mentaler Zustand gemeint, bei dem man die Ausführung einer freiwilligen Handlung unterbricht um, unter Abwägung der zugrundeliegenden Motivation, ihre Angemessenheit und Zweckdienlichkeit zu beurteilen. Als Gegenpart zum Impuls, macht die Deliberation die Handlung zu einer überlegten, reflektierten Tätigkeit. In zeitlicher Abfolge geht ihr der Entwurf, das Konzept, voraus, und ihre Folge ist die (getroffene) Entscheidung bzw. das Vorgehen, für das man sich entschieden hat. Für Aristoteles ist sie die Bedingung für freies Handeln. Er sieht die Deliberation, die in Abwägung der zur Verfügung stehenden Mittel erfolgt, als Gegensatz zum Wunsch, bei dem man das ersehnte Ziel anstrebt, ohne sich darum zu kümmern, ob die dafür notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Allerdings kann sie, je nach Dringlichkeit der Entscheidungsfindung, nicht die Strenge einer logischen Urteilsfindung haben, da sie situations- und handlungsbezogen erfolgen muss. Der Begriff tauchte in früherer Form bereits bei den alten Griechen auf, um die Beratungen des Stadtrats von Athen bei der Ausarbeitung von Gesetzen zu bezeichnen, und in der Rhetorik wird damit der Redetypus bezeichnet, mit dem man vor einer Versammlung spricht; der Begriff verweist somit auf eine (interne) Debatte, die nicht frei ist von Affekten. Einige Phänomenologen wie Maurice Merleau-Ponty oder Sartre sehen darin eine retrospektive Illusion, also eine rückblickende Selbsttäuschung, da die am Ende getroffene Entscheidung den Prozess der Entscheidungsfindung intellektualisiert, als überlegter erscheinen lässt, als es dieser tatsächlich war. In diesem Sinne schreibt Sartre: „Wenn ich erwäge, ist das Spiel [bereits] aus.“ (Das Sein und das Nichts).