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Utopie

Dieser Begriff, den Morus 1516 erfunden hat, basiert auf einem Wortspiel aus dem Griechischen: ou, „nicht“ und eu, „gut“, beide als Präfixe vor topos, „Ort“. Insgesamt kann man unter Utopie dann einen „fiktiven Ort“ verstehen. Jedes Projekt einer ‚perfekten' Gesellschaft ist eine solche Utopie. Die Insel Utopia, wie Morus sie beschreibt, teilweise von der idealen Stadt (der Kallipolis) Platons inspiriert, soll das Modell für eine gerechte Gesellschaft und zugleich eine Anklage der englischen Politik seiner Zeit sein. Die Utopie hat also die Funktion, Kritik zu üben und eine Alternative zu bieten. Sie wird zwar häufig abwertend als Hirngespinst bezeichnet, aber nichtsdestotrotz zu einigen konkreten Realisierungen geführt, wie zum Beispiel dem „Familistère“ von Guise (einem Gebäudekomplex mit Arbeiterwohnungen in Fabriknähe), dem Sozialpalast „Phalanstère“ von Fourier (ebenfalls ein Industrie- und Gebäudekomplex für eine Arbeits- und Wohngemeinschaft) und den Projekten des Industriellen Godin. Ein Utopist kann also ein Visionär sein. Das Wort hat dennoch auch eine negative Bedeutung: abgesehen vom Nachteil der fehlenden Realisierbarkeit ist eine Utopie häufig gekennzeichnet durch restriktive Regeln des Zusammenlebens, die als freiheitsberaubend und gefährlich wahrgenommen werden können, wie sich am Aufkommen totalitärer Gesellschaften zeigt. Daher wurden die Utopien von den dystopischen Romanen des 20. Jahrhunderts angeprangert, vor allem Orwells 1984. Nach Ricoeur konstituiert die Utopie, neben der Ideologie, einen der beiden Pole der gesellschaftlichen Imagination.