Bienen als Verbündete
Anfang des Jahres stellten chilenische Imker 60 Bienenstöcke vor dem Präsidentenpalast auf, um für höhere Honigpreise und Förderungen zu demonstrieren. Was sich anhört wie ein PR-Coup, ist tatsächlich Ausdruck einer neuen Form politischen Protests über Speziesgrenzen hinaus.
Sechzig. Das ist die Anzahl der Bienenstöcke, die chilenische Imker am 4. Januar vor dem Regierungspalast aufgestellt haben. Eine Aktion, mit der sie ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zum Ausdruck bringen wollten, die untätig bleibt, während eine Dürrewelle derzeit die honigsammelnden Insekten der meisten ihrer Blumen beraubt und die wirtschaftliche Existenz der Honigproduzenten gefährdet. Als Reaktion darauf wurden 10.000 Bienen auf den Straßen der Hauptstadt Santiago ausgesetzt. Sieben Polizisten wurden gestochen und vier Imker in Gewahrsam genommen. Ein Vorgehen, das auch davon zeugt, dass fast überall auf der Welt neue Methoden des politischen Kampfes entstehen, die auf Allianzen zwischen verschiedenen Spezies beruhen. Eine Analyse dieses erstaunlichen Phänomens bietet unter anderem Michel Serres.
Das Vorgehen der chilenischen Imker legt eine fundamentale Frage offen: Was genau verteidigen sie, wenn sie mit Bienenstöcken vor dem Regierungspalast demonstrieren? Sich selbst, ist man versucht zu antworten. Schließlich sind es die Imker, die am meisten unter der aktuellen Dürre leiden und deren Lebensgrundlage bedroht ist. Sie sind es, die finanzielle Unterstützung von der Regierung verlangen – und die Tiere zu diesem Zweck medienwirksam einsetzen und zu Komplizen machen.
Doch die Mobilisierung hat noch eine weitere Dimension. „Wer verteidigt, [...] wer vertritt [...] die Bienen und die Pflanzen, die sie bestäuben? [...] Wer spricht in ihrem Namen?“, fragte Michel Serres in Temps des crises (2009 auf französisch erschienen). In unserer Zeit der ökologischen Krise stellt sich die Frage nach dem Platz der nichtmenschlichen Lebewesen in der Politik, nach ihren Rechten und der Art und Weise, wie sie diesen Rechten Gehör verschaffen können, mit einer neuartigen Dringlichkeit: „Ein endgültiger Schlag gegen den menschlichen Narzissmus: Wir müssen die Welt als Akteur in unsere politischen Beziehungen einbinden.“ Die Imker schaffen hier eine Möglichkeit, den Bienen eine Stimme zu verleihen. Und ihr Kampf gilt auch den honigsammelnden Insekten, wie José Iturra, einer von ihnen, erklärt: „Wir haben wegen der Dürre demonstriert, der Dürre in der Gemeinde Colina, wo die Bienen sterben. Bienen sind auf der ganzen Welt wichtig“.
Summende Demokratien
Die beiden Dimensionen sind nicht unvereinbar. Die Menschen zu verteidigen und die Bienen zu verteidigen ist im Grunde ein und dasselbe, wie Iturra hinzufügt: „Wenn die Bienen sterben würden, gäbe es auch kein Leben. Das wollten wir mit unserer Aktion unterstreichen.“ Auch Lena Balaud und Antoine Chopot sprechen in Nous ne sommes pas seuls (2021 auf französisch erschienen) sehr treffend von der „diplomatischen Gemeinschaft der Bienen Apis mellifera, der von ihnen bestäubten Blütenpflanzen, der lebenden Böden, der Imker und Imkerinnen“: Sie sind durch die „gemeinsame Sache und über vermeintliche Artengrenzen hinweg“ verbunden: „die Bienen, die ‚den Frühling machen‘, und die gewissenhaften Imker und Imkerinnen, die sie bei dieser Aufgabe begleiten, während sie gleichzeitig die Mittel für ihren Lebensunterhalt von ihnen beziehen.“
Die Bienen werden hier nicht einfach instrumentalisiert, sondern zu echten „Verbündeten“ gemacht, deren Handeln eine wahrhaft politische Dimension haben kann. Ein ganz ähnliches „Bündnis“ wurde 2019 im französischen Département Hérault von den „Faucheurs“, oder „Feldbefreiern“, geknüpft. Diese riefen dazu auf, allerorts biologische Sonnenblumensamen und Setzlinge zu pflanzen, um der Verbreitung von Sonnenblumen entgegenzuwirken, die durch neue Gentechnik resistent gegen Pflanzengifte geworden sind: „Durch die Bestäubung von Bienen und Hummeln und die Übertragung von Pollen von der Biopflanze auf die gentechnisch manipulierte Pflanze wird das angebaute Saatgut mit den Biosonnenblumen, die überall in der Umgebung ausgesät wurden, vermischt. Die gentechnisch manipulierten Pflanzen werden so von den Biosonnenblumen „kontaminiert“ und die Hersteller können ihren Verbrauchern nicht mehr garantieren, dass sie hundertprozentige Gentechnikware erhalten.“ Eine Allianz zwischen den Arten, die weit über Fragen der Gentechnik hinausgeht und in einem größeren Zusammenhang auf eine „blinde und tödliche Chemie“ abzielt – die der Agrarindustrie.
Den Bienen diese politische Handlungsfähigkeit zuzugestehen, setzt voraus, dass wir unseren Blick auf sie, wie auf alle Lebewesen, ändern, sie nicht objektivieren, sondern vielmehr über „ihre Aktivität und ihre Sozialität“ nachdenken. Im Fall der Bienen fällt dieser Blickwechsel vielleicht umso leichter, da sie über eine Organisation verfügen, die politische Denker immer wieder beeinflusst hat. Der amerikanische Biologe Thomas D. Seeley spricht sogar von einer „Bienendemokratie“, auf der die Fähigkeit des Bienenstocks beruht, wirksam kollektive Entscheidungen zu treffen. Ein weiterer Grund, unsere eigene Demokratie um die der bestäubenden Insekten zu erweitern? •