Den Wald betreten
Kaum ein Moment ist so magisch wie der, in dem wir den Wald betreten und damit in einen Raum vorstoßen, in dem die menschlichen Gesetze plötzlich aufgehoben scheinen. Eine Untersuchung dieser besonderen ästhetischen Erfahrung, entlang von drei Gemälden.
Einen Wald zu betreten, das ist ein Schritt, den man als Erwachsener oder Kind nicht tun kann, ohne ein Schaudern zu verspüren, ein Gefühl, das jeder kennt. Dieses Gefühl hat jedoch keinen Namen und wurde bisher kaum beschrieben. Gaston Bachelard widmet ihm in seiner Poetik des Raumes, erstmals erschienen 1957, eine rätselhafte und anspielungsreiche Seite. Bachelard ordnet den Wald in die Kategorie der „inneren Unermesslichkeit“ ein. „Diese ‚Unermesslichkeit‘“, schreibt er, „entsteht aus einer ganzen Gruppe von Eindrücken, die nichts mit den Auskünften des Geografen zu tun haben. Man muss nicht lange in den Wäldern gelebt haben, um den stets ein wenig angsterfüllten Eindruck zu kennen, dass man in eine Welt ohne Grenze ‚eintaucht‘. Wenn man nicht weiß, wohin man geht, weiß man bald auch nicht mehr, wo man sich befindet.“
Bachelard präzisiert diesen Grundzug weiter und bringt vorsichtig die Metaphysik ins Spiel: „Man fühlt, dass es hier anderes auszudrücken gibt als das, was sich objektiv der Beschreibung darbietet. Was man ausdrücken müsste, ist verborgene Größe, also eine Tiefe.“ Man fühle sich, so heißt es weiter, „vor einen ‚wesenhaften‘ Eindruck gestellt, der nach seinem Ausdruck sucht (…). Wie könnte man besser sagen, dass man eine Unermesslichkeit auf der Stelle vor sich hat, wenn man ‚den Wald erleben‘ will: die auf einer Stelle versammelte Unermesslichkeit seiner Tiefe.“
Die porösen Ränder des Waldes
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Kommentare
Bildender Poet ist er auch. Und gerne hätt ich ihm ein Gemälde aus jener Zeit eines unbekannten Künstlers zwecks Expertise gesandt: Bergwald mit Taubenloch-Schlucht und Wasserfall. Geschätzte Umgebung: Bielingue.