Die Kunst, immer Recht zu behalten: Kniff Nr. 7
Hitzige Debatten am Familientisch sind zu Weihnachten keine Seltenheit. Was es da braucht, ist argumentatives Geschick. Die Kunst ist schließlich, nicht nur Recht zu haben, sondern die anderen auch davon zu überzeugen. Unser Adventskalender hält 24 Kniffe bereit, die schon die großen Denker für sich nutzten. Heute: Daten Sie sich up!
Das Verfahren
Das Neue ist immer aufregend. Wenn Sie Ihren Gesprächspartner alt aussehen lassen wollen, dann sollten Sie in Ihrer Wortwahl unbedingt Innovationswille und Dynamik zum Ausdruck bringen. Bedienen Sie sich großzügig der Jugendsprache, des popkulturellen Mainstream-Slangs, vor allem aber des Denglischen. Versäumen Sie nicht, Ihren Gegner explizit auf seine altfränkischen sprachlichen Gepflogenheiten aufmerksam zu machen.
Seien Sie verschlagen, also „tricky“, und „bashen“ Sie ihn, wo es nur geht, wegen seiner lahmen „pitches“. Werden Sie ungeduldig und verlangen Sie, er solle seine „insights“ (Ansichten) doch bitte noch mal überdenken, und zwar so bald als möglich, also „asap“. Nun setzen Sie ihm eine total taffe, oder gar eine „toughe“ Deadline. Zu diesem Verfahren sollte allerdings nur greifen, wer selbst noch halbwegs jung und von lebhaftem Naturell ist. Erfüllen Sie diese Kriterien, dann löst Ihr vitaler Redefluss beim Gegenüber, das das modische Vokabular nicht beherrscht, unweigerlich rhetorische Lähmungserscheinungen aus. In unseren schnelllebigen Zeiten verändern sich die Sitten nun einmal nach Maßgabe der modernen Technologien. Wer sich dieser Entwicklung verweigert, wirkt schlicht lächerlich. Diese Argumentationsstrategie selbst ist natürlich ein alter Hut. Bereits zu Ciceros Zeiten kam sie unter der Bezeichnung argumentum ad novitatem breitenwirksam zur Anwendung. Die Konsumenten macht man spätestens seit dem Kapitalismus glauben, dass ein neues Produkt dem alten vorzuziehen sei. Gleiches gilt für die Gedanken. Das wusste schon der Revolutionär Saint-Just: „Das Glück“, predigte er, „ist eine neue Idee in Europa.“
Die Abwehr
Wir raten unbedingt davon ab, den Anhängern des jugendlich-dynamischen Sprachduktus Respektlosigkeit vor der Schönheit der Muttersprache, Affektiertheit oder gar Unbildung vorzuwerfen. Damit „outen“ Sie sich nämlich selbst als kulturkritischer, larmoyanter „Grufti“. Packen Sie den Angreifer lieber bei seiner Eitelkeit, seinem Wunsch nach Individualismus.
Werfen Sie ihm vor, der Mode nachzueifern, brandmarken Sie seine Argumente als banale Werbeslogans. Wenn Sie sich also auf das „Unzeitgemäße“ berufen, dann unbedingt im Sinne Nietzsches. Für ihn war Denken gegen den Zeitgeist gleichbedeutend mit eigenständigem Denken.•
übersetzt von Marianna Lieder