Die Sache mit dem Salz
„Kann sein, dass noch Salz fehlt.“ Diesen Satz kennt jeder vom Esstisch. Doch offenbart sich in ihm auch ein Grunddilemma des Menschen.
Wenn es den einen Satz gibt, der mein Leben von frühesten Kindheitserinnerungen an begleitet, so lautet er ohne Zweifel: „Kann sein, dass noch Salz fehlt.“ Meine Mutter pflegte ihn jeden Tag aufs Neue am Mittagstisch zu sagen. Und mit vergleichbarer Absehbarkeit äußert ihn von Beginn an die lang geliebte Gattin. Wie auch ich selbst ihn verlässlich in der Rolle des Kochenden verwende. Und sogar mittlerweile meine Kinder, wann immer sich noch die Gelegenheit zum geteilten Mahl ergibt. „Kann sein, dass noch Salz fehlt.“ Gibt es einen humaneren Zweifel? Ja, drängt sich dieser Satz nicht geradezu als Titel einer noch zu schreibenden Autobiografie der gesamten Menschheit auf? Denn ganz und gar ungewürzt will uns diese Welt nun einmal nicht munden. Als kulturübergreifende Universalwaffe gegen die drohende Fadheit des Erfahrens diente aber von alters her bis heute – eben, das Salz: das Salz der Erde und des Meeres, das Salz mächtigster Berge und dunkelster Höhlen, das Salz höchster Freuden wie auch tiefster Trauertränen. Die Moral: Ein Leben ohne Nachsalzoption ist möglich, aber sinnlos.
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