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Bild: Rut Miit (Unsplash)

Essay

Die Würde, die wir meinen

Michael J. Sandel veröffentlicht am 16 Dezember 2021 21 min

Während hohe Einkommen und akademische Abschlüsse oft mit großem sozialen Ansehen einhergehen, werden weniger formal gebildete Menschen mit schlechter bezahlten Jobs von der Gesellschaft meist gering geschätzt. Michael J. Sandel sieht darin eine der größten Gefahren unserer Zeit und plädiert für eine neue Sicht auf die Würde der Arbeit.

 

Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1970er-Jahre war es möglich, dass diejenigen ohne Hochschulabschluss eine gute Arbeit finden, eine Familie ernähren und ein bequemes Leben in der Mittelklasse führen konnten. Heute ist das sehr viel schwieriger. Im Lauf der letzten vier Jahrzehnte hat sich der Einkommensunterschied zwischen Hochschul- und High-School-Absolventen verdoppelt – die Ökonomen nennen das „Hochschulprämie“. 1979 verdienten Hochschulabsolventen etwa 40 Prozent mehr als diejenigen mit einem High-School-Abschluss; in den 2000ern lag ihr Einkommen 80 Prozent höher.[1]

Obwohl das Zeitalter der Globalisierung denen, die gut mit akademischen Graden ausgestattet sind, reiche Belohnungen bescherte, brachte es den meisten normalen Arbeitern nichts. Von 1979 bis 2016 fiel die Zahl der Jobs im produzierenden Gewerbe von 19,5 auf 12 Millionen.[2] Die Produktivität nahm zu, doch die Arbeiter kassierten einen immer kleineren Anteil dessen, was sie herstellten, während Führungskräfte und Aktionäre einen immer größeren Anteil einstrichen.[3] Ende der 1970er-Jahre lag das Einkommen der CEOs großer amerikanischer Unternehmen um den Faktor 30 höher als das des durchschnittlichen Arbeiters, 2014 um den Faktor 300.[4]

Das Median-Einkommen amerikanischer Männer ist seit einem halben Jahrhundert gleichgeblieben. Obwohl das Pro-Kopf-Einkommen seit 1979 um 85 Prozent gestiegen ist, verdienen weiße Männer ohne den akademischen Grad eines Vollstudiums inzwischen effektiv weniger als damals.[5]

Dass sie damit unzufrieden sind, ist keine Überraschung. Doch wirtschaftliche Härten sind nicht die einzige Quelle ihrer Not. Das Zeitalter der Meritokratie hat den arbeitenden Menschen zudem eine noch perfidere Ungerechtigkeit auferlegt – die Zersetzung der Würde der Arbeit. Indem der Ausleseapparat den „Grips“ aufwertet, der für gute Resultate bei den Zulassungsprüfungen der Hochschulen erforderlich ist, setzt er diejenigen ohne formale Leistungsnachweise herab. Ihnen wird gesagt, dass ihre Arbeit, die vom Markt weniger geschätzt wird als die Arbeit gut bezahlter Akademiker, einen geringeren Beitrag zum Gemeinwohl darstellt, weshalb ihr auch weniger soziale Anerkennung und Wertschätzung zukommt. Diese Unterschiede legitimieren die üppigen Belohnungen, die der Markt den Gewinnern beschert, und die magere Bezahlung, die er Arbeitern ohne akademischen Abschluss anbietet.

Es ist moralisch nicht vertretbar, auf diese Weise zu bestimmen, wer was verdient. Es ist falsch, anzunehmen, dass der Marktwert dieses oder jenes Jobs als Maß für einen Beitrag zum Gemeinwohl dienen kann. (Denken wir nur an den reich entlohnten Meth-Dealer und den bescheiden bezahlten High-School-Lehrer.) Doch die Vorstellung, das von uns eingenommene Geld spiegele den Wert unseres gesellschaftlichen Beitrags, hat sich in den letzten Jahrzehnten tief eingeprägt. Sie findet Widerhall in der gesamten öffentlichen Kultur.

Die meritokratische Auslese hat dazu beigetragen, diese Idee zu verfestigen. Das gilt auch für die neoliberale oder marktorientierte Version der Globalisierung, die seit den 1980er-Jahren von den etablierten Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien übernommen wurde. Selbst als die Globalisierung für enorme Ungleichheit sorgte, schränkten diese beiden Auffassungen – die meritokratische und die neoliberale – die Gründe ein, sich dem zu widersetzen. Außerdem höhlten sie die Würde der Arbeit aus und befeuerten den Groll gegen Eliten ebenso wie die entsprechende politische Gegenbewegung.

Seit 2016 haben Experten und Gelehrte über die Ursachen der populistischen Unzufriedenheit debattiert. Dreht sie sich um Jobverluste und stagnierende Löhne oder eher um kulturelle Verdrängung? Doch diese Trennlinie ist zu scharf gezogen. Arbeit hat sowohl mit Wirtschaft als auch mit Kultur zu tun. Sie ist eine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und auch eine Quelle sozialer Anerkennung und Wertschätzung.

Gerade deshalb löste die mit der Globalisierung einhergehende Ungleichheit so viel Zorn und Groll aus. Diejenigen, die von der Globalisierung zurückgelassen wurden, hatten nicht nur zu kämpfen, während es anderen gut ging; sie spürten auch, dass ihnen ihre Arbeit keine soziale Wertschätzung mehr einbrachte. In den Augen der Gesellschaft (und vielleicht auch in ihren eigenen) stellte ihre Arbeit keinen wertvollen Beitrag zum Gemeinwohl mehr dar.

Männer der Arbeiterklasse ohne akademischen Grad stimmten mehrheitlich für Donald Trump. Dass sie sich zu seiner Politik des Klagens und der Verärgerung hingezogen fühlen, legt nahe, dass ihnen mehr als nur wirtschaftliche Härten Kummer bereiteten. Dazu gehört auch ein Ausdruck von Vergeblichkeit, der in den Jahren bis zu Trumps Wahl aufkam: Als die Arbeitsbedingungen für diejenigen ohne meritokratische Leistungsnachweise trostlos wurden, fielen immer mehr Männer im arbeitsfähigen Alter komplett aus der Arbeiterschaft heraus.

1971 hatten 93 Prozent der weißen Männer aus der Arbeiterklasse einen Job. 2016 waren es nur noch 80 Prozent. Von den 20 Prozent ohne Job suchten nur wenige nach Arbeit, die meisten von ihnen hatten schlicht aufgegeben – als hätten die Demütigungen des Arbeitsmarktes, der sich nicht für ihre Fertigkeiten interessierte, sie schließlich besiegt. Besonders häufig kam das Verlassen der Arbeitswelt bei denen vor, die keine Hochschule besucht hatten. Von den Amerikanern, deren höchste akademische Qualifikation ein High-School-Zeugnis war, hatten 2017 nur 68 Prozent einen Arbeitsplatz.[6]

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Helmut Reuter
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