Ein erleuchtendes Perpetuum mobile der Assoziationen
Anlässlich seines 92. Geburtstags eröffnet in Alexander Kluges Heimatstadt Halberstadt die Sonderausstellung „Englightenment“, in der er mittels künstlicher Intelligenz über die Licht- und Schattenseiten der Moderne nachdenkt.
Halberstadt macht ihrem wohl berühmtesten Bürger Alexander Kluge zum 92. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk – eine Ausstellung. Eine Wahl, wie sie treffender für den bekannten Filmemacher, Denker, Poeten, Anwalt und steten Unruhegeist nicht hätte sein können. Passend zum Ausstellungsort – dem ehemaligen Wohnhaus des Aufklärers Johann Wilhelm Ludwig Gleim – setzt sich Kluge mit „Enlightenment“ auseinander, womit hier sowohl „Aufklärung“ wie auch „Erleuchtung“ gemeint ist.
Gekonnt verknüpft Kluge in fünf Stationen seine eigene Lebensgeschichte mit einer Hommage an seine Geburtsstadt sowie überhistorische Themen der Menschheit wie Krieg oder der Frage nach einer gelungenen Zukunftsgestaltung. Das Leitmotiv der Ausstellung ist das Licht, das für die aufklärerische Idee einer Gesellschaft steht, die durch Bildung und Wissenschaft erleuchtet wird. Doch ganz im Sinne seines Lehrers Theodor W. Adorno und dessen Analyse einer „Dialektik der Aufklärung“ macht Kluge deutlich, dass Licht notwendig immer mit Schatten einhergeht. Diese Spannung zeigt sich exemplarisch etwa, wenn auf einem Bild der Arm einer mittels künstlicher Intelligenz (KI) generierten, hinduistisch anmutende Parodie der Freiheitsstatur Feuer fängt und die Flamme der Freiheit in Leid umschlägt.
Die Maschine als Komplize
Man merkt der Ausstellung an, wie sehr die Dunkelheit unserer Zeit Kluge beschäftigt, der die Schrecken des Zweiten Weltkriegs als Kind miterlebt hat. Seine Bilder sind eine Verarbeitung der historischen Gewaltexzesse der Menschheit und gerade darin eine Mahnung an die heutige Generation, dem Kriegstreiben weltweit ein Ende zu setzten. „Aufklärung“, so Kluge, „ist die Kunst eine Zukunft zu bauen“. Und das bedeutet für ihn, unsere gesellschaftliche Funktionsweise grundsätzlich zu hinterfragen und uns als Teil einer verletzlichen Natur zu denken. Es gilt, den unermüdlichen Motor einer ausbeutenden und umweltzerstörerischen Industrie zum Stocken zu bringen und das natürliche Leben statt des Profits in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.
Besonders beeindruckend an der Ausstellung ist die ästhetische Methode, mit der sich Kluge diesen Themen annähert: Im Spiel mit Stable Diffusion, einer KI zur Bildergenerierung, verbindet er Texte, historische Bilder und eigene Reflexionen visuell miteinander und schafft dadurch inspirierende Verbindungslinien. Dabei machen die surrealistisch anmutenden Werke den Eindruck, als wäre diese Art des künstlich intelligent angetriebenen Assoziierens eigens für Kluges Denk- und Arbeitsweise entwickelt worden. Staunend kann man nachverfolgen, wie sich die philosophischen Gedanken zunächst in die Bildvorlagen einschreiben, diese transformieren und in ein neues Licht setzen, um dann wiederum Kluges Gedankenstrom weiter voranzutreiben – ein erleuchtendes Perpetuum mobile der Assoziationen. •
Alexander Kluge – Ausstellung Enlightenment (= Aufklärung), Gleimhaus Halberstadt, Museum der deutschen Aufklärung, 14.02. – 20.05.2024