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Bild: Commons Wikimedia

Impuls

Ein neues Gottes*bild?

Birthe Mühlhoff veröffentlicht am 23 September 2020 5 min

Die Katholische Studierenden Jugend (KSJ) will Gott von nun an mit Gendersternchen schreiben, um sich von Vorstellungen eines „alten, weißen, strafenden Mannes“ zu verabschieden. Theologisch rennt sie damit eigentlich offene Türen ein. Dennoch birgt ein Do-It-Yourself-Glauben auch Probleme.

Vor kurzem lancierte die Katholische Studierenden Jugend (KSJ) den Vorschlag, Gott ab jetzt mit Gendersternchen zu schreiben. Die Schülerinnen und Schüler fordern „ein neues Gottes*bild, das mit den Vorstellungen vom alten, weißen, strafenden Mann aufräumt und Platz schafft für eine Gottes*vielfalt“. Die Reaktionen reichten von Entrüstung bis Bewunderung. Nach dem Motto: „Jetzt dreht der Genderwahnsinn komplett am Rad“. Oder aber: „Nun kommt endlich etwas ins Rollen in der reformresistenten Kirche“. Man könnte das alles jedoch auch gelassener sehen. Denn zunächst findet hier „nur“ eine Rolle rückwärts statt. Das Gendersternchen hat nämlich selbst christliche Wurzeln. Papst Urban VIII führte im 17. Jahrhundert den sogenannten Asteriskus in die Schreibweise des Stundengebets ein. Dadurch entsteht beim damals noch weit verbreiteten Singen oder Sprechen der Psalmen eine merkwürdig Atempause, manchmal mitten im Satz. Erst später trat das Sternchen seine Karriere als allgemeiner Platzhalter an. Sei es für ein nicht jugendfreies Wort, einen Einschub oder ein auszufüllendes Pflichtfeld. So avancierte der Stern seit den 2000er Jahren zum  Zeichen für inklusive Sprache.

Dass die Kampagne für einen göttlichen Genderstern nun so viel Aufmerksamkeit generiert, hängt vermutlich auch damit zusammen, dass all jene, die sich heute nicht wirklich vorstellen können, wie man an Gott glaubt, sich letzteren eben oft als alten, weißen Mann auf einer Wolke imaginieren. Deshalb sei daran erinnert, dass es im Christentum um die Dreifaltigkeit aus drei Personen geht: Gott, Sohn und Heiliger Geist. Diese Dreifaltigkeit war übrigens schon zu Anbeginn des Christentums schwer in Worte zu fassen. Der Begriff der „Person“, der heute im Recht auch für Unternehmen und andere Körperschaften verwendet wird, musste eigens dafür geprägt werden. „Persona“ war im Alten Rom eigentlich die Bezeichnung für Rollen im Theater. Eine Maske erlaubt dem Darsteller nicht nur er selbst, sondern Teil eines Stücks zu sein.

 

Negative Theologie

 

Und auch über den Heiligen Geist wurde immer wieder spekuliert, es handele sich um ein ursprünglich feminines Wesen. So gibt es etwa Fresken, die die Dreifaltigkeit mit drei Wesen illustrieren, von denen eines weibliche Züge trägt. Im Internet zirkuliert zudem eine, nun ja, recht geistreiche These, wonach Jesus von Nazareth ein Trans-Mann gewesen sein müsse. Wer vom Heiligen Geist und einer Jungfrau gezeugt wurde, könne nämlich nur weibliche DNA aufweisen. Da Jesus aber als Mann auftrat, hätte er folglich sein Geschlecht gewechselt. Was diese Beispiele zeigen: der Begriff von Gott übersteigt die Grenzen des menschlichen Verstands. Mit der „Negativen Theologie“, etwa vertreten vom spätmittelalterlichen Philosophen Meister Eckhart, gibt es sogar eine ganze Denkrichtung, die das zum Programm erhebt. Demnach könne man kann keine „positiven“ Aussagen über Gott treffen, also nicht behaupten, Gott sei dieses oder jenes. Anders als im Islam ist es im Christentum zwar nicht verboten, Gott abzubilden – ob mit oder ohne Bart, menschlich oder als Wolke, Sonne, Taube oder brennender Dornbusch. Jedoch sind all das stellvertretende Bilder.

Kann ich mir Gott also vorstellen, wie ich will? Laut dem französischen Soziologen Olivier Roy lässt sich bezweifeln, dass Spiritualität das beste Betätigungsfeld für den Do-it-yourself-Ansatz ist. Ihm zufolge ist es gerade die Entwurzelung von Religionen, die zu einem Anstieg des Fundamentalismus führt. Geht man zu den christlichen Wurzeln zurück, so wird Gott in der Heiligen Schrift als Vater angerufen. Das zentrale Gebet des Christentums, das einzige von Jesus von Nazareth als solches überlieferte, ist das Vaterunser mit dem zentralen Satz „dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ Doch „Vater“ bezeichnet hier keinen „zeugungserfolgreichen Mann“, ebenso wenig wie mit dem „Himmel“ die aktuelle Wetterlage gemeint ist. Bei der Anrede „Vater“ geht es um die Beziehung, die darin zum Ausdruck kommt. Gibt man jemandem bei der Hochzeit das Ja-Wort, dann ja schließlich auch nicht, um den anderen Menschen auf die Bezeichnung „meine Frau“ oder „meinen Mann“ festzunageln. Vielmehr ist es die Beziehung, der man einen Namen und eine Bestimmung, ein Versprechen gibt. Gott nicht nur als abstrakte Entität zu denken, sondern als Vater anzusprechen, lässt also eine Beziehung entstehen – auch zwischen mir und denen, die ich dann als Brüder und Schwestern behandeln will.

 

Menschliche Ordnung

 

Und warum nicht Mütterlichkeit? Der Name „Vater“ war den Übersetzern der Bibel damals so wichtig, dass sie ihn im aramäischen Original beließen: „Abba“. Daher kommt auch der Name des Oberhaupts eines Klosters, der Abt oder die Äbtissin. Dass es sich damals um eine tief patriarchalisch geprägte Gesellschaft handelte, in der nun einmal der Vater das Familienhaupt darstellte – dieses Rad lässt sich leider nicht zurückdrehen. Für die Beantwortung der Frage, ob man ab jetzt auch seine Gebete an Gott als Mutter richten könnte (man dürfte „sie“ dann nur nicht mit der Mutter Gottes verwechseln, die es ja auch noch gibt), müsste man indes prüfen, ob man die Begriffe der Transzendenz und Immanenz weiter in der Art mit Väterlichkeit und Mütterlichkeit verknüpfen will, wie es in den letzten Jahrtausenden traditionell der Fall war. In Form der „väterlichen“ Transzendenz ist Gott der Schöpfer der Welt als ein von ihm getrenntes, freies Sein; als „mütterliche“ Immanenz wirkt Gott hingegen in der von ihm geschaffenen Welt. Oder wie es die KSJ in ihrer Kampagne ausdrückt: „Gott* ist in allen Lebewesen“. Betrachtet man ihn mit menschlichen Augen, so trägt Gott also schon immer väterliche und mütterliche Züge. Im Katechismus, dem von der Bischofskonferenz herausgegebenen Nachschlagewerk zum christlichen Glauben, wird das ebenfalls betont: „Gott übersteigt alle geschöpflichen Unterschiede. Er hat nicht nur männliche, sondern auch weibliche, nicht nur väterliche, sondern auch mütterliche Züge, aber er ist weder männlich noch weiblich, und er begründet weder eine patriarchale noch eine matriarchale, sondern allein eine menschliche Ordnung.“

Kurzum: Schreibt man Gott mit Gendersternchen, um zu verdeutlichen, dass dieser über alle Geschlechtlichkeit erhaben ist, rennt man eigentlich offene Türen ein. Nur wäre die Kampagne der KSJ eben keine Kampagne, wenn mit ihr nicht etwas bezweckt werden sollte. Schließlich kann man auch durch offene Türen kleine trojanische Pferde schieben. Der KSJ scheint es nämlich darum zu gehen, bei einem gerade sehr kontrovers diskutierten Thema – ob Frauen für das Priesteramt zugelassen werden sollten – medial zu polarisieren. Gleichwohl kann man den Vorschlag der KSJ auch einfach als Anregung verstehen, über Religion neu ins Gespräch zu kommen. Dann können wir das Gendersternchen von Gott* als Asteriskus lesen, wie er im Stundengebet gebraucht wird, oder wie in wissenschaftlichen Texten, um mit einer Fußnote auf etwas zu verweisen, das außerhalb vom Text selbst steht: als eine Art Stoppschild mitten im Satz. Nach dem Motto: Hier mal ganz ruhig bleiben, Leute. •

 

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