Ein Sohn aus gutem Hause
Als Platon mit 20 Jahren Sokrates kennenlernt, ist er ein athletischer junger Mann, der Gedichte und Theaterstücke schreibt. Dann widmet er sich allerdings ganz der Philosophie seines Lehrers. Porträt eines Mannes, der sich der Suche nach Weisheit verschrieb.
Während Platons Werk und seine Philosophie gut dokumentiert sind, liegen zahlreiche Bereiche seines Lebens im Dunkeln. Sogar sein Name sei lediglich ein Spitzname, abgeleitet von „platýs" (breit und flach), den ihm sein Ringkampflehrer wegen seiner breiten Statur verliehen haben soll, so die Legende. Die erste Biografie zu Platon De Platone et eius dogmate (Über Platon und seine Lehre) vom lateinischen Autor Apuleius entstand freilich erst im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, also über 400 Jahre nach Platons Tod. Die darin enthaltenen Informationen sind also – ebenso wie die der späteren Biografien von Diogenes Laertios, von Olympiodoros dem Jüngeren oder von Philodemos – mit allergrößter Vorsicht zu genießen.
Eine aristokratische Familie
Die meisten Biografen gehen darin einig, dass Platon im Athener Stadtbezirk Kollytos geboren wurde um 428 oder 427 v. Chr. – kurz nach dem Tod des Perikles, einem der Begründer des damals in der Polis waltenden demokratischen Systems. Es ist eine Zeit des Krieges, in der das belagerte Athen von einer heftigen Epidemie (evtl. Pocken oder Typhus) heimgesucht wird. Platons Familie gehörte zur höchsten Aristokratie des Stadtstaates: Sein Vater Ariston soll ein Nachfahre des Kodros gewesen sein, dem 17. und letzten König von Athen. Seine Mutter, Periktione stammte aus der Familie des Solon, einem der berühmtesten Gesetzgeber der Polis. Sie ist die Schwester des Charmides und die Cousine des Kritias, die zwei platonischen Dialogen ihren Namen verleihen werden. Beide gehören der oligarchischen Herrschaft der „Dreißig Tyrannen“ an, die einige Monate lang um 404 v. Chr. an die Stelle der Demokratie treten wird, nach der Niederlage im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta (431–404).
Platons Brüder Adeimantos und Glaukon kommen regelmäßig in seinen Dialogen vor, Platons Schwester Potone ist die Mutter des Philosophen Speusippos, der schließlich Aristoteles vorgezogen wird, bei der Auswahl, wer die Akademie nach dem Tod des Meisters weiter leiten soll.
Schon früh genießt Platon eine umfassende standesgemäße Ausbildung: Er erhält Unterricht durch den Grammatiker Dionysios und verfasst Theaterstücke und Gedichte. Seine musikalische Ausbildung erfolgt durch Drakon; der Ringer Ariston aus Argos unterrichtet ihn in Gymnastik. Platon ist ein sehr guter Ringkämpfer, sodass er – Olympiodoros zufolge – zwei Siege bei den Olympischen Spielen und den Isthmischen Spielen davonträgt. Außerdem erhält er Unterricht in Geometrie vom Mathematiker Theodoros von Kyrene – wann genau, ist nicht bekannt –, welcher wiederum selbst zuerst Schüler des berühmten Sophisten Protagoras (Hauptfigur des gleichnamigen Dialogs) war und später Lehrer von Theaitetos und Sokrates persönlich.
DIE BEGEGNUNG MIT SOKRATES
Entscheidend für Platons Leben und Denken wird die Begegnung mit Sokrates im Jahr 408 v. Chr. Claudius Aelianus erzählt, sie habe mitten im Peloponnesischen Krieg stattgefunden, an jenem Tag, an dem Platon Waffen erwarb, um sich den Truppen Athens anzuschließen. Sokrates habe ihn zur Rede gestellt und ihn davon überzeugt, sich voll und ganz der Philosophie zu widmen. Die beiden Männer bildeten zumindest äußerlich einen starken Kontrast – Platon war groß gewachsen, jung und schön, Sokrates hingegen galt weithin als hässlich –, doch beide trieb die Liebe zur Wahrheit an. Platon kannte wahrscheinlich bereits die ionischen Philosophen: die Naturphilosophen, wie Aristoteles sie nennen wird. Seine Dialoge erwähnen vor allem Heraklit, den er durch Kratylos entdeckte, außerdem Parmenides, Anaxagoras oder auch Zenon. Doch Sokrates eröffnet ihm eine völlig neue Art des Denkens, indem er ihn dazu anregt, nicht länger über kosmologische Fragen und die Ordnung der Natur nachzudenken, sondern den Menschen und die Frage, wie er sein Leben führen solle, in den Mittelpunkt zu stellen. Nach dieser Begegnung lässt Platon seine Anwandlungen als Tragödiendichter hinter sich und verbrennt seine Stücke. Doch er bleibt der Form des Theaters treu, die er in seine berühmten philosophischen Dialoge überführt, deren erste er noch zu Sokrates Lebzeiten schreibt: Hippias minor, Ion und möglicherweise Lysis. Über Letzteren soll Sokrates ausgerufen haben: „Beim Herakles, wie viel der junge Mann über mich zusammenlügt!“
DIE VERSUCHUNGEN DER POLITIK
Doch der junge Mann interessiert sich auch für eine politische Karriere in den Institutionen Athens. Verwandtschaftlich steht er einigen der Dreißig Tyrannen nahe, deren despotisches Regime nach wenigen Monaten gestürzt wird, wonach die Demokratie durch Thrasybulos und Anytos wieder eingesetzt wird. In der Zeit der damaligen Umwälzungen lässt Platon seine politischen Ambitionen fallen: „Als ich noch in meiner Jugend war, ging es mir wie vielen Jünglingen. Ich hatte im Sinne, sobald ich mein eigener Herr geworden war, mich an der Verwaltung des Staates zu beteiligen. Da kamen mir einige Verwicklungen im Staate dazwischen, und die waren folgender Art. Da viele mit der damaligen demokratischen Staatsverfassung unzufrieden waren, so entstand eine Umwälzung derselben. (…) Bei der Betrachtung solcher Vorgänge und der Menschen, welche damals an der Spitze der Staatsverwaltung standen, ferner bei näherer Prüfung der Staatsgesetze und sittlichen Gewohnheiten der Bürger schien mir die Verwaltung eines Staatsamtes mit der Vernunft desto schwerer vereinbar, je tiefer ich in diese Zustände blickte und je mehr ich dem reiferen Alter zuschritt. Denn ohne eine politische Assoziation mit Freunden und treu verbrüderten Parteigängern ist es nicht möglich, mit Politik sich abzugeben, solche, wenn sie auch vorhanden gewesen wären, waren aber schwer aufzufinden, denn unser Staat wurde nicht mehr verwaltet im Geiste der alten guten Sitten und Einrichtungen.“ (VII. Brief)
Dennoch prägt die blutige Episode der Dreißig Tyrannen teilweise Platons politisches Denken: Der Philosoph wird zeitlebens eine gewisse Sympathie für aristokratische Herrschaftsformen pflegen, die ihm vernünftiger erscheinen als der entfesselte Eifer des Volkes, wie er für die Demokratie typisch ist. Außerdem verzeiht er es dem Demokraten Anytos nicht, dass er einer der Ankläger im Prozess gegen Sokrates ist: Was ist das für ein Staat, der den besten seiner Männer hinrichtet?
DER PROZESS GEGEN SOKRATES
Die Anschuldigungen, die 399 v. Chr. zum Prozess gegen Sokrates führen, sind vielfältig und komplex. Als politisches Ereignis im Hintergrund steht Athens Niederlage im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta, nach der die Athener nach einem Sündenbock suchen. Für diese Rolle bieten sich die Sophisten an, die angeklagt werden, traditionelle Werte zu untergraben. Ein Teil von Protagoras’ Werken wird verbrannt. Paradoxerweise wird Sokrates, der in allen Dialogen als Gegenspieler der Sophisten auftritt, in dieselbe Schublade gesteckt: Man beschuldigt ihn, die Jugend zu verführen und nicht an die Götter zu glauben, sondern an einen persönlichen „daimon“.
Man wirft ihm vor, sich über die Weisheit und Tugenden der großen Männer seiner Zeit lustig zu machen, die Dreißig Tyrannen unterstützt zu haben – vor allem Kritias, einen seiner Schüler – oder sogar ein Verbündeter und Anhänger Spartas zu sein. Als Beweis dafür sieht man den Verrat des Alkibiades – ein anderer Schüler des Sokrates –, der mitten im Peloponnesischen Krieg von Athen zu Sparta übergelaufen ist. Sokrates, der sich selbst mit einer stechenden „Pferdebremse“ verglich, ist in jedem Falle ein Störenfried. Sein freier Geist kostet ihn das Leben: Sokrates lehnt es ab, mit der Hilfe von Freunden zu fliehen, und trinkt einen Monat nach seiner Verurteilung den Schierlingsbecher im Beisein seiner Schüler. Platon ist zu diesem Zeitpunkt krank und kann seinen Lehrer nicht begleiten. Doch er ist zutiefst empört über die Behandlung des Philosophen. Da auch er um sein Leben fürchtet, flüchtet er sich mit einigen Freunden zum Philosophen Euklid nach Megara, 40 Kilometer entfernt von Athen. Er schreibt weiterhin Dialoge, deren Verfassungsdaten nicht sicher festzustellen sind, unter anderem Gorgias, Protagoras, Charmides, die noch sehr von den ethischen Überlegungen des Sokrates geprägt sind, der auch darin die Hauptrolle spielt.
REISEN IM MITTELMEERRAUM
Von Megara aus segelt Platon nach Kyrene, zu seinem Lehrer Theodoros, von dort aus weiter nach Italien, wo er mit Pythagoreern zusammentrifft: Eurytos von Tarent, Philolaos aus Kroton (berühmt für seine Vorstellung, der zufolge das Universum ein zentrales Feuer in der Mitte hat, um das die Erde kreist), dessen Schüler Timaios von Lokroi und Archytas von Tarent. (Letzterer legt die Unendlichkeit des Universums in einem Gedankenexperiment dar: Wenn jemand an einem angenommenen Ende des Universums seine Hand oder einen Stab ausstrecken würde, müsste er entweder auf einen Körper oder auf leeren Raum stoßen, also in jedem Fall auf eine Fortsetzung des Universums.) In dieser Zeit nach dem Tod von Sokrates beginnt sich Platon für die pythagoreische Geheimlehre zu interessieren und beschäftigt sich mit deren Theorien zu Mathematik und zum Wesen der Seele. Die Darstellung einer „Weltseele“ in Timaios sowie die Überlegungen zum Unbegrenzten in Philebos zeigen noch den bleibenden Einfluss der pythagoreischen Philosophie. Dasselbe gilt für die Theorie der Teilhabe der Dinge der Sinneswelt an den geistig erkennbaren Ideen, welche an die pythagoreische Vorstellung anzuknüpfen scheint, dass die Ordnung der Dinge sich an Zahlen als Urprinzipien orientiert. Die längste Reise, für die es jedoch die wenigsten Zeugnisse gibt, soll Platon nach Ägypten geführt haben, zu den Priestern von Heliopolis im Nildelta. Von dieser Expedition sind sehr wenige Details bekannt. Es wird erzählt, Platon habe als Ölhändler arbeiten müssen, um seine Rückfahrt bezahlen zu können.
Nicht nur diese zahlreichen Reisen machen deutlich, dass Platon bei der Entwicklung seiner Gedanken auf verschiedene Quellen zurückgriff. Wie Simone Weil es auf den Punkt bringt: „Im Gegensatz zu allen anderen Philosophen (…) wiederholt er immer wieder, dass er nichts Neues erfunden habe, dass er lediglich einer Tradition folge, die er manchmal beim Namen nennt, manchmal nicht. (…) Manchmal inspiriert er sich an früheren Philosophen, von denen uns Fragmente überliefert sind, und deren Systeme er aufgreift und zu einer höheren Synthese führt: mal seinen Lehrer Sokrates, mal geheime griechische Traditionen, von denen wir fast nichts wissen, außer durch ihn – die Orphiker, die Mysterien von Eleusis, die pythagoreische Tradition als Mutter der griechischen Kultur – und sehr wahrscheinlich auch ägyptische und andere Traditionen aus dem Orient.“ Schließlich fährt der Philosoph etwa 388 v. Chr. nach Syrakus, wo er Freundschaft mit Dion schließt. Dieser ist Mitglied am Hofe des Tyrannen Dionysios I., der sich gern in philosophischen Gesprächen ergeht. Platon versucht, ihn zu überzeugen, eine gerechtere Regierungsform einzuführen. Vergeblich: Er wird hinausgeworfen und gezwungen, Syrakus mit dem Schiff zu verlassen, gerät in Gefangenschaft und wird auf Ägina als Sklave verkauft. Ein Mann aus Kyrene namens Annikeris kauft ihn und lässt ihn frei, als er erkennt, mit wem er es zu tun hat.
GRÜNDUNG DER AKADEMIE
Nach seinem Scheitern in Syrakus gründet der nach Athen zurückgekehrte Platon eine philosophische Schule vor den Toren der Stadt: die Akademie (benannt nach dem dort gelegenen Hain des Helden Akademos). Hier wird er 40 Jahre lang lehren. Statt die obersten Regierenden seiner Stadt direkt zu beeinflussen, verfolgt Platon möglicherweise den Plan, die Prinzipien der Gerechtigkeit bei den jungen Menschen zu verankern, die später einmal regieren werden. Am Eingang der Akademie stand angeblich der Satz: „Kein der Geometrie Unkundiger soll hier eintreten“. Wahrscheinlich ist die Geschichte erfunden, doch sie unterstreicht, dass in der Akademie Wissenschaft als Grundlage für echte Weisheit gelehrt wurde. Man weiß wenig darüber, wie die Akademie organisiert war, außer dass sie wohl beeinflusst war vom Prinzip des gemeinsamen Lebens und Forschens der pythagoreischen Gemeinschaften. Anders als bei den Sophisten muss man für den Unterricht in der Akademie nicht bezahlen, doch die Akademiker müssen für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Das bedeutet de facto, dass sie alle bis auf wenige Ausnahmen aus adligen Familien stammen. Platon erteilt seinen Unterricht sowohl im Gymnasion als auch in seinem Wohnhaus, wo er einen kleinen Kreis enger Schüler empfängt. Seine Schule wird von einigen der herausragenden Denker der Antike besucht: Aristoteles (ab 367 v. Chr.) und dessen zukünftiger Schüler Theophrast, Pamphilos, der zukünftige Lehrer Epikurs.
Auch zwei junge Frauen – Axiothea von Phleius und Lastheneia von Mantineia – nehmen als Männer verkleidet am Unterricht teil. Platon schreibt während dieser Zeit einige seiner wichtigsten Dialoge – unter anderem Gastmahl, Der Staat, Phaidon, Phaidros, Menon und Theaitetos – und entwickelt seine Ideenlehre und die Theorie der Wiedererinnerung. In den Dialogen lässt er weiterhin Sokrates als Hauptfigur sprechen. Diese Dialoge hatten damals wahrscheinlich vor allem die Aufgabe, auf Platons stärker theoretischen Unterricht vorzubereiten, der bei Aristoteles als „ungeschriebene Lehre“ Erwähnung findet. Nur ein einziger öffentlicher Vortrag ist bezeugt, mit dem Titel Über das Gute – und er soll die meisten Zuhörer enttäuscht haben, wie Aristoxenos aus den Erinnerungen seines Lehrers Aristoteles berichtet. Platon sprach darin nur über Mathematik und Zahlen, nicht von konkreten Gütern wie Reichtum, Gesundheit oder dem guten Ruf. Platons Tendenz zur philosophischen Abstraktion und seine Versuche, über das Wesen der Dinge selbst nachzudenken, bringt ihm viele Bewunderer ein, es gibt aber auch einige Verleumder und vor allem Zyniker. Es wird erzählt, Diogenes sei, nachdem er gehört habe, wie Platon den Menschen als „zweifüßiges Tier“ definierte, „das ungefiedert ist“, am folgenden Tag mit einem gerupften Hahn durch die Straßen Athens gezogen und habe gerufen: „Das ist Platons Mensch!“
SCHEITERN IN SYRAKUS
In den Jahren rund um 370 v. Chr. sieht sich Platon zunehmend mit Widersprüchen in seiner Ideenlehre konfrontiert: Wie haben die Dinge der sinnlichen Welt an den Ideen teil? Wie verhält es sich mit Einheit und Vielheit? Welches Verhältnis besteht zwischen den Ideen und der höchsten Idee des Guten? All diese zutiefst metaphysischen Fragen durchziehen bekanntlich den Dialog Parmenides. Vermutlich unter dem Einfluss seines Mitarbeiters, dem Astronomen Eudoxos von Knidos, der bei persischen Priestern gelernt hatte, öffnet sich Platons Denken für die Vorstellung, dass den Erscheinungen der Sinneswelt eine eigene Ordnung innewohnt, die nicht lediglich eine Täuschung ist. Er entwickelt nun einen klaren Dualismus zwischen Materie und Geist, die dem des Zoroastrismus ähnelt: Dem Universum wurde vom Schöpfergott eine Ordnung gegeben, danach überlässt er es sich selbst, wie es Platon in Politikos beschreibt.
Einige Jahre später, 366 v. Chr., unternimmt Platon eine zweite Reise nach Sizilien: Dion von Syrakus bittet ihn, seinen Schwager – den Tyrannen Dionysios II., den Jüngeren – in Philosophie zu unterrichten. „Jetzt oder nie müsse man den Versuch machen, wenn man seine Ansichten über Staatsgesetze und Staatsverfassung verwirklichen wollte, hätte ich nur einen vollkommen überzeugt, so würde ich alles Heil glücklich realisiert haben“, schreibt Platon. Doch die Sache geht schief. Dionysios verbannt Dion, den er eines Komplotts verdächtigt. Platon hatte gehofft, mit seinen Ratschlägen den Herrscher dazu zu bewegen, in Syrakus einen idealen Staat nach dem Vorbild von Der Staat zu errichten. Aber auch dieses Mal scheitert er. Statt den Herrscher philosophisch lenken zu können, wird er in politische Machtkämpfe hineingezogen. Er kehrt ernüchtert nach Athen zurück. Einige Jahre später, 361 v. Chr., ruft Dionysios II. ihn erneut zu sich, was Platon nach langem Zögern annimmt. Doch die dritte Reise nach Syrakus endet noch katastrophaler als die vorherigen: Der Tyrann zeigt nicht nur noch weniger Neigung als zuvor, sich mit der Philosophie ernsthaft zu beschäftigen, sondern hält den Philosophen überdies auf Sizilien fest. Erst durch das Eingreifen des Pythagoreers Archytas von Tarent kommt er frei. Neanthes von Kyzikos zufolge trifft Platon Dion von Syrakus 360 v. Chr. bei den Olympischen Spielen. Platon versucht erfolglos, seinen nachtragenden Freund davon abzuhalten, eine militärische Operation gegen seinen Schwager Dionysios II. zu starten. Der Militärschlag gelingt, doch Dion wird schon nach kurzer Zeit vorgeworfen, eine neue Tyrannenherrschaft errichten zu wollen. Mit dieser Begründung wird er durch seinen Freund Kallippos ermordet, der vormals ebenfalls Platons Akademie angehörte.
DIE LETZTEN JAHRE
Die letzten 13 Jahre seines Lebens verbringt Platon an der Akademie und verfasst die Dialoge: Timaios, Kritias, Sophistes und Nomoi. Im Gegensatz zu Der Staat, wo es darum geht, sich aus der Vielfalt der Erscheinungen zur Idee eines Idealstaates zu erheben, schlägt der Dialog Nomoi nun vor, von der platonischen Utopie wieder herabzusteigen und sie konkret umzusetzen. Die Figur des Sokrates tritt in den Hintergrund und verschwindet in den Dialogen Nomoi und Sophistes sogar vollständig. In seinem Alterswerk brachten drei Überlegungen Platon zu einer Veränderung seiner Ansichten: „Einerseits ein neues Verständnis der Seele, dem zufolge diese nicht mehr ein Feind des Körpers, sondern vielmehr dessen Antriebsprinzip ist. Andererseits die Anerkennung, dass die Bewegung der Planeten eine regelmäßige Ordnung aufweist. Schließlich das Gefühl, dass der Mensch seinen vorgezeichneten Platz in dieser nun als Ordnung begriffenen Welt hat.“ (André-Jean Festugière).
Platon stirbt bei einem Hochzeitsbankett 346 oder 347 v. Chr. Die Überlieferung geht im Allgemeinen davon aus, dass der Philosoph 81 Jahre alt wurde – eine symbolische Zahl, die sich aus dem Quadrat von neun ergibt. Er wurde auf dem Gelände der Akademie begraben. •
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