Emmanuel Carrère: "Empathie hat perverse Effekte"
Das Werk des großen französischen Schriftstellers Emmanuel Carrère changiert zwischen Roman, Autobiografie und philosophischer Meditation. Ein Gespräch über die Hölle der Ironie, russischen Wahnsinn und das Reich Gottes in unserer Mitte.
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Imre Kertész: "Denken ist eine Kunst, die den Menschen übersteigt"
Die Redaktion des Philosophie Magazin trauert um Imre Kertész. In Gedenken an den ungarischen Schriftsteller veröffentlichen wir ein Interview mit ihm aus dem Jahr 2013.
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Nietzsche, Wittgenstein, Camus – es war die Philosophie, die Imre Kertész den Weg zur Literatur wies. Der ungarische Nobelpreisträger blickte in seinem, wie er selbst vermutete, „letzten Interview“ zurück auf ein Leben, das sich weder durch Konzentrationslager noch die kommunistische Zensur zum Schweigen verdammen ließ.
„Wissen Sie, ich habe viel über Ihre Fragen nachgedacht“, sagte Imre Kertész gleich zu Beginn, als er uns in seiner Wohnung in Buda, einem Stadtteil von Budapest, empfing. „Mir liegt daran, mit Ihnen ein schönes Interview zu führen, weil es vermutlich mein letztes sein wird.“ Dieser testamentarische Satz könnte makaber wirken, aber im Gegenteil: Seiner kurzatmigen Stimme zum Trotz leuchtet es in seinen Augen lebhaft und verschmitzt. Seit gut einem Jahrzehnt kämpft Kertész mit der Parkinsonkrankheit, Ursache zahlloser Schmerzen und Schwierigkeiten, von denen seine veröffentlichten Tagebücher berichten. Diese Krankheit zwang ihn, 2012 offiziell das Schreiben aufzugeben, und lässt ihm täglich nur wenige kurze Momente der Ruhe.
Es ist schwer, nicht gerührt zu sein bei der Begegnung mit diesem so geprüften und zugleich so zäh durchhaltenden Menschen, der unentwegt über die Paradoxa des Daseins als „Überlebender“ nachgesonnen hat. Imre Kertész wurde 1929 geboren. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert, dann nach Buchenwald gebracht, wo er 1945 die Befreiung des Lagers erlebte. Den wesentlichen Teil seines Lebens hat er daraufhin unter dem kommunistischen Regime in Ungarn verbracht. Kertész begann Mitte der fünfziger Jahre zu schreiben. Zugleich toleriert vom Regime und sorgsam ferngehalten von der Öffentlichkeit, veröffentlichte er in äußerst überschaubaren Auflagen und kühl aufgenommen von der offiziellen Kritik Meisterwerke wie „Roman eines Schicksallosen“ oder „Der Spurensucher“. Erst mit dem Zusammenbruch des Ostblocks wurden seine Werke in aller Welt übersetzt und fanden internationale Anerkennung, gekrönt vom Literaturnobelpreis im Jahr 2002.
Wenn es eine weniger bekannte Dimension seiner Existenz gibt, dann ist es das Verhältnis des Schriftstellers zur Philosophie. Aus Leidenschaft, doch auch, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, übersetzte Imre Kertész zahlreiche deutsche Philosophen vom Deutschen ins Ungarische, unter ihnen Friedrich Nietzsche und Ludwig Wittgenstein. Die Lektüre dieser Autoren sowie die von Albert Camus und Jean-Paul Sartre hat unentwegt sein Werk genährt. Vor allem aus dem Wunsch heraus, sich über seine – intensive und beständige – Beziehung zur Philosophie zu äußern, stimmte Kertész unserer Interviewanfrage zu.

Die Hölle, das sind die Anderen?
Wohin man auch blickt: überall Andere! Nicht immer ist ihre Anwesenheit ein Segen: Allzu oft stören sie, nerven, machen einem das Leben gar regelrecht zur Hölle. Andererseits, wer wollte ernsthaft ohne andere Menschen leben? Ohne deren Berührung, Mitgefühl, Inspiration? Besonders herausfordernd ist der Andere in seiner Rolle als kulturell Fremder. Was tun? Tolerieren, diskutieren, drangsalieren – oder ihn einfach mutig ins Herz schließen? Fragen, die direkt in das Zentrum unserer modernen Einwanderungsgesellschaften führen.
Susanne Schmetkamp über Empathie
Lebt es sich als emphatischer Mensch leichter? Warum ist der Begriff Empathie philosophisch interessant? Und welche anderen Denkerinnen und Denker haben sich mit ihm beschäftigt? Auf der diesjährigen phil.cologne sprachen wir mit Susanne Schmetkamp über Empathie. Susanne Schmetkamp ist Philosophin und leitet eine Forschungsgruppe zur Ästhetik und Ethik der Aufmerksamkeit an der Universität Fribourg (Schweiz). Ihre Forschungsgebiete sind ästhetische Erfahrung, Empathie, Aufmerksamkeit, Perspektivität, Film und Serien.

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Das Vertrauen in die Regierung, den eigenen Leib und in zwischenmenschliche Beziehungen ist brüchig. Welche Effekte hat das Misstrauen, das in alle Bereiche vorgedrungen ist? Drei Menschen schildern ihre Erfahrungen.

Bhagavad Gita - Ein Schatz in der indischen Philosophie
Von diesem Gedicht geht ein Zauber aus: Es ist mystisch und philosophisch zugleich, ein spiritueller Schatz des alten Indien. Die um das 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung geschriebene „Bhagavad Gita“ („Lied der Gottheit“) vereint Religion, Metaphysik und Ethik. Der Held des Gedichts ist der Krieger Ardschuna, der zögert, in einen Bruderkrieg zu ziehen, und daraufhin eine Unterweisung des Gottes Krischna erhält. Er soll lernen, seine Begierden zu zügeln und auf die Früchte seines Handelns zu verzichten, um Seelenheil zu erlangen. Michel Hulinstellt uns dieses Werk vor und gibt uns dabei eine Einführung in die indische Philosophie. Gisèle Siguier-Saunébeschäftigt sich im beigefügten Sammelheft mit dem Begriff des Yoga – jener spirituellen Disziplin, die das Bewusstsein für das eigene Selbst und die Welt steigert. Diese praktische Dimension der „Gita“ und ihre Aufforderung, den heiligen Aspekt des Lebens wiederzuentdecken, erklären, warum sie ein westliches Publikum bis heute anspricht und inspiriert. Tauchen wir also ein in dieses große Werk der Weltweisheit.
Improvisieren lernen mit Jack Kerouac
In der Pandemie stößt unser rationaler Umgang mit dem Ungewissen an seine Grenzen. Wir sollten uns vielmehr an die Improvisationsratschläge des amerikanischen Schriftstellers Jack Kerouac halten.

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