Existenzieller Überschuss
Das Ja zum Leben meint mehr als nur alltägliches Funktionieren. Wahre Existenzfreude verdankt sich einer kunstvollen Dialektik aus Pflicht und Lust. Ein Essay von Svenja Flaßpöhler.
Lebensschwung, das klingt so leicht. Nach Freude, Glück, Unbeschwertheit. Nach einer lebendigen Existenz, die sich der Welt achtsam und offen zuwendet. Nach Freiheit. Sinnlichkeit. Authentizität. Vielleicht auch nach … Kitsch? Tatsächlich lädt der Begriff aufgrund seiner poetischen Schönheit ein wenig dazu ein, ihn mit Zuckerguss zu überziehen. Man hat ihn ja förmlich vor Augen, diesen lebensbeschwingten Menschen, der frühmorgens den Rosenduft auf seinem mit Liebe gestalteten Balkon einsaugt, um dann den ganzen Tag lächelnd durch den Tag zu schweben. Wer, bitte schön, so mögen Sie sich fragen, lebt denn so? Ja, es könnte sogar sein, dass manche Menschen das Wort „Lebensschwung“ eher als Zumutung empfinden, weil es aus ihrer Sicht keine Leichtigkeit, sondern Druck erzeugt. Genauer gesagt: Glücksdruck. Wer unter Antriebslosigkeit, Müdigkeit und depressiven Verstimmungen leidet, muss immense Kräfte aufwenden, um nur für das Allernotwendigste zu sorgen. Die Nachbarin, die ihren Balkon mit Liebe gestaltet, wirkt da eher wie ein stiller Vorwurf.
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Kommentare
Was ich für diesen Lebensschwung auch für bedenkenswert halte, ist, dass man, während man schwingt, vielleicht, so lange man selbst und die eigenen Gruppen wahrscheinlich befreit genug sind, wahrscheinlich Bestes für alle versuchen könnte.
Dieses Ziel, so schätze ich momentan, hilft vielleicht bei der Orientierung im Leben in der Welt, so dass die Konsequenzen der wahrgenommenen Pflicht gut für die Gesellschaften bleiben, was manchmal sehr kompliziert und dann eine hohe Kunst sein kann, und so dass die Konsequenzen der wahrgenommenen Lust in den Gesellschaften mehrheitlich akzeptiert bleiben, was manchmal sehr wenig und dann eine hohe Kunst sein kann.
(Bsp. 2. WK und Nordkorea heute)
Ich danke für den anregenden Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.