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Bild: Alina Grubnyak (Unsplash)

3 Fragen an ...

Frank Adloff: „Wir hängen alle voneinander ab“

Frank Adloff, im Interview mit Nils Markwardt veröffentlicht am 20 Oktober 2020 4 min

Vor kurzem erschien im Open Access Das zweite konvivialistische Manifest, in dem über 300 Intellektuelle aus 33 Ländern, darunter Wendy Brown, Noam Chomsky, Shirin Ebadi, Maja Göpel, Eva Illouz und Chantal Mouffe, für neue Formen des Zusammenlebens und eine „post-neoliberale Welt“ plädieren. Der Soziologe und Mitinitiator Frank Adloff erklärt, was es mit dem Konvivialismus auf sich hat und welche konkreten Ziele er verfolgt. 

Herr Adloff, 2013 erschien das erste konvivialistische Manifest, soeben ist das zweite erschienen. Konvivialismus leitet sich vom lateinischen con-vivere, zusammenleben, ab. Was ist sein Ziel?

Der Begriff des Konvivialismus zielt auf eine neue, gemeinsam geteilte Philosophie des Zusammenlebens, auf ein friedliches Miteinander zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur ab. Die beiden Manifeste von 2013 und 2020 wollen deutlich machen, dass eine andere Welt möglich, aber auch absolut notwendig ist. Dies kann nur gelingen, wenn gängige Praktiken, soziale Selbstverständlichkeiten und hergebrachte Theorien kritisch befragt und verändert werden. Menschen sind nicht vornehmlich Nutzenmaximierer und Gesellschaft kann nicht allein auf Marktbeziehungen beruhen. Der Konvivialismus ist eine dezidiert anti-utilitaristische intellektuelle Strömung, die den Menschen weniger in seinem Verlangen zu nehmen, sondern in seiner Fähigkeit und seinem Bedürfnis, anderen etwas zu geben und sich miteinander zu verbinden, charakterisiert sieht. Auf dieser Basis werden Prinzipien einer neuen konvivialen Ordnung formuliert. Eine legitime Politik muss sich auf das Prinzip einer gemeinsamen Menschheit, einer gemeinsamen Sozialität, der Individuation und der Konfliktbeherrschung berufen. Das in diesem Jahr erschienene zweite konvivialistische Manifest führt zwei weitere Prinzipien ein: Jegliche Form menschlicher Hybris ist abzulehnen und das Prinzip der gemeinsamen Natürlichkeit von Mensch und Natur ist zu achten. Es reagiert zudem auf aktuelle politische Entwicklungen, etwa das Erstarken illiberaler Regime, ist in seinen politischen Vorschlägen internationaler ausgerichtet und wesentlich konkreter als das erste Manifest. Außerdem ist es in einem internationalen Konsultationsprozess entstanden.

Im Nachwort des zweiten Manifests konstatieren Sie, dass die Corona-Pandemie gezeigt habe, wie „interdependent unsere Welt ist“ und äußern zudem die Hoffnung, dass aus diesem Gefühl wechselseitiger Abhängigkeit Solidarität erwächst. Erleben wir am Beginn der zweiten Pandemie-Welle aber nicht zunehmend eher Entsolidarisierungseffekte zwischen den Menschen?

Natürlich besteht die Gefahr, dass die Entsolidarisierung in nächster Zeit wächst. Tatsächlich erleben wir ja in den letzten Jahren eine zunehmende Polarisierung öffentlicher Debatten und das Erstarken rechtspopulistischer oder -extremer Positionen. In Krisen steckt das Potential zur Vertiefung bestehender Problemlagen, aber auch die Möglichkeit, diese zu überwinden. Dazu bedarf es besonderer politischer Anstrengungen. Die Corona-Krise zeigt uns zumindest heute, wie interdependent unsere Welt ist. Deutlich ist, wie alle menschlichen sowie nicht-menschlichen Lebewesen – wenn auch nicht symmetrisch – global voneinander abhängen. Aus dem Gefühl und dem Wissen wechselseitiger Abhängigkeiten könnte Solidarität erwachsen, wenn die politischen Anstrengungen in diese Richtung gehen. Von alleine wird sie sich nicht einstellen, und es ist tatsächlich nicht einfach, eine neue und überzeugende Fortschrittserzählung zu gewinnen. Für die Wirtschaft ist damit zunächst die Frage aufgeworfen, wie sie krisenfester gestaltet, wie sie vom Wachstumszwang befreit, regionaler, demokratischer und gemeinwohlorientierter werden kann. Resilienz gegenüber externen wirtschaftlichen Schocks wird nur über ein Zurückdrängen von Kommodifizierung und Vermarktlichung aufgebaut werden können. Die Frage der nächsten Zukunft lautet daher, ob Ängste, Abgrenzungen, Ungleichheiten und Konflikte um Ressourcen aller Art zunehmen werden, oder ob es gelingen kann, die Furcht vor der Zukunft nicht wie bisher durch mehr Individualismus und Privatismus zu verschärfen, sondern durch mehr Solidarität und konviviale Lösungen zu entkräften. Zukunftshoffnungen auf Wachstum, Dominanz und Prosperität haben die westlichen Gesellschaften bislang integriert, auch wenn sich diese Hoffnungen zunehmend als ökonomisch unrealistisch, sozial ungerecht und ökologisch fatal erweisen. Nun muss es darum gehen, dennoch eine attraktive Vision des Zusammenlebens zu entwickeln – sogar auch im Angesicht des drohenden ökologischen Kollapses.

Das Manifest plädiert für eine „post-neoliberale Welt“. Was schwebt Ihnen da konkret vor?

Eine post-neoliberale Welt läge jenseits von Hybris und Habgier. Es kommt heute darauf an, das immer noch dominierende utilitaristische und neoliberale Denken zu brechen und eine Gegenhegemonie der Konvivialität aufzubauen. Ziel ist eine Politik des kulturellen Wandels, des Maßhaltens und der Selbstbegrenzung – gerade auch mit Blick auf den Klimawandel oder das Artensterben. Der Konvivialismus setzt dabei nicht auf rein technologische Lösungen oder eine bloße grüne Modernisierung, sondern auf eine gesellschaftliche Transformation. Er betont aus meiner Sicht zurecht, dass wir ein neues affektiv-positives Konzept des Zusammenlebens benötigen, das Wege aus der Erschöpfung utopischer Energien eröffnet. Eine konviviale Zukunft kann nur in einer Postwachstumsgesellschaft liegen. Dabei muss zweierlei zugleich gelingen: die Abkehr vom Wirtschaftswachstum und die Bekämpfung sozialer Ungleichheiten. Ökologie und soziale Gerechtigkeit gehören aufs Engste zusammen. Zentral ist, die Abhängigkeit der Bürgerinnen und Bürger von Märkten abzumildern. Dazu braucht es einen funktionierenden öffentlichen Sektor sowie neue Formen der Kooperation zwischen Unternehmen, der öffentlichen Hand und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Gemeingüter und Genossenschaften sind zu stärken, und schließlich muss die Abhängigkeit auch vom Geld verringert werden. Zur ökonomischen Erneuerung gehört es, Steuerschlupflöcher und Steueroasen abzuschaffen und höhere Erbschafts- und Vermögenssteuern zur Eindämmung sozialer Ungleichheiten einzuführen. Dazu kommen die Etablierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, die Verkürzung der Arbeitszeit und die Einführung von Höchsteinkommen und -vermögen. •

 

Frank Adloff lehrt als Professor für Soziologie an der Universität Hamburg und ist Mitinitiator des beider konvivialistischen Manifeste. „Das zweite konvivialistische Manifest“ ist jüngst im transcript Verlag (144S., 10€) erschienen. Als PDF- oder EPub-Datei kann es kostenlos heruntergeladen werden.  

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