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Bildvorlagen: gemeinfrei; Manuel (Unsplash)

Impuls

Für Sie getestet: Das Orakel von Delphi 2.0

Octave Larmagnac-Matheron veröffentlicht am 07 Dezember 2021 5 min

Das Allen Institute in Seattle hat eine KI im Stil des antiken Orakels von Delphi entwickelt, das Einschätzungen zu ethisch kniffligen Fragen abgibt. Wir haben es getestet und erstaunliche Ähnlichkeit zu den Auffassungen eines mittelalterlichen Denkers festgestellt.

 

Eine künstliche Intelligenz (KI), die uns hilft, moralische Entscheidungen zu treffen. Genau das verspricht das vom Allen Institute in Seattle ins Leben gerufene Projekt „Ask Delphi“, das sich namentlich an das antike Orakel von Delphi anlehnt. Die KI gibt unter anderem Antworten auf Fragen wie „Darf ich den Anruf eines Freundes ignorieren?“, „Sollte ich Geld spenden?“ oder „Darf ich nachts den Rasen mähen?“. Auffällig dabei ist, dass sich die Ratschläge des Algorithmus häufig mit unseren menschlichen moralischen Intuitionen decken. Oft sind diese nämlich inkohärent und umgehen strenge Einteilungen in richtig und falsch. Damit gleichen die Urteile von Ask Delphi jener Typologie, die der mittelalterliche Philosophen Ibn Ruschd (latinisiert Averroes, 1126-1198) seinerzeit entwickelte. Wir haben unser Moralverständnis für Sie im direkten Vergleich zu Ask Delphi und dem arabischen Denker getestet.

Unsere erste Erkenntnis dabei war: Wenn man Ask Delphi klare Fragen stellt, bekommt man klare Antworten: „Ist es immer falsch zu lügen?“ „Ja, es ist immer falsch.“ „Ist es immer falsch, jemanden zu töten?“ „Ja, es ist immer falsch.“ Allein an diesen beiden Fragen gemessen, könnte man dem Programm unterstellen, dass ihm eine deontologische Auffassung von Ethik zugrunde liegt. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, dass sich der moralische Wert einer Entscheidung nicht an dessen Konsequenzen bemisst, sondern am intrinsischen Charakter einer Handlung. Dementsprechend können bestimmte Handlungen als intrinsisch gut oder schlecht bezeichnet werden, wobei entscheidend ist, ob die Handlung auf einer inneren Verpflichtung begangen wird. Der Fall des Lügens widerspricht beispielsweise der deontologischen Ethik Kants, da man – gemäß des von ihm formulierten Kategorischen Imperativs – nicht wollen kann, dass Lügen zu einem allgemeinen Gesetz wird. Denn das wäre das Ende des Vertrauens, ja von gelingender Kommunikation überhaupt. Wie schlägt sich Ask Delphi jedoch bei Fragen, die nicht so eindeutig beantwortbar sind?

 

Sprunghaftigkeit als Makel?

 

Neuer Versuch also: „Ist es in Ordnung, zu lügen, um das Leben eines anderen Menschen zu retten?“ Antwort: „Es ist okay.“ „Und um das eigene Leben zu retten?“ Wieder: „Es ist okay.“ Ask Delphi ist besonders sensibel und genau, wenn es darum geht, das eigene Handeln zu rechtfertigen und auf Konflikte zwischen verschiedenen Handlungsoptionen aufmerksam zu machen. Sobald man sich mit seinen Fragen allerdings in die Niederungen des Alltags begibt, beginnt die KI unsicher zu werden. Sie ist gezwungen, ihre Urteile zu klareren Sachverhalten zu revidieren, die oftmals sehr kategorisch ausfallen. Dabei allerdings ist Ask Delphi nicht allein. Auch wir stehen Tag für Tag vor moralischen Fragen, die uns herausfordern und auf die wir je nach Kontext unterschiedliche Antworten geben. Auch unsere Urteile sind von Inkohärenz geprägt, Produkt einer spontanen Kasuistik, die uns identische Fälle in unterschiedlichen Kontexten anders beurteilen lässt. Dass Ask Delphi unserer Sprunghaftigkeit gleicht, ist allerdings alles andere als verwunderlich, da die KI mit menschlichen Urteilen trainiert wird.

Ist das Programm damit wertlos und sollten auch wir uns schämen, weil wir in unseren moralischen Urteilen beständig schwanken? Nein, denn gerade dadurch sind wir dazu angehalten, unsere Entscheidungen nach feineren Kriterien zu treffen als bloß nach gut oder schlecht zu fragen. Die verschiedenen Antworten von Ask Delphi ähneln der von Ibn Ruschd in seinem Werk Die entscheidende Abhandlung oder die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen religiösen Gesetzen und Philosophie (1179) entwickelten Typologie der moralischen Urteile, die ganz verschiedene Einschätzungen kennt:

 

•    Das Verbotene, das Unerlaubte (ḥaram, حَرَام, oder mahzûr, محظور). In der Sprache von Delphi: „Das ist falsch“, „Das solltest du nicht tun“. Diese Handlungen sollten laut Ibn Ruschd bestraft werden.

•    Das Tadelnswerte (makrûh, مكروه) - „Es ist vulgär“, „Es ist unpassend“. Die tadelnswerte Handlung ist verpönt, kann aber nicht bestraft werden.

•    Das Erlaubte, das Geduldete (mubâḥ, مباح), welches keine Strafe, aber auch keine Belohnung beinhaltet. „Es liegt im eigenen Ermessen.“ Wir denken spontan an Handlungen, die aus moralischer Sicht gleichgültig und unbedeutend sind (z. B. einen Apfel essen). Aber man kann die Kategorie auf viel tragischere Fälle ausweiten. Wenn Delphi z.B. das Urteil „Es ist okay“ auf die Frage ausgibt: „Ist es richtig, jemanden zu töten, um ein Leben zu retten?“ Das begangene und das verhinderte Unrecht heben sich gegenseitig auf. Man kann weder gelobt noch getadelt werden, wenn man diesen anderen Menschen tötet — oder man sich entscheidet, ihn nicht zu töten.

•    Das Empfohlene (mandûb oder mustahhab, مَنْدوب), für lobenswerte Handlungen, die eine Belohnung verdienen, die aber keineswegs absolute Verpflichtungen sind, sodass deren Nichterfüllung auch keine Strafe nach sich ziehen. Hier kann der Begriff ebenso in zwei Richtungen ausgelegt werden: Die Handlung kann schlicht lobenswert sein, weil sie moralisch von geringer Bedeutung ist (z. B. höflich sein); sie kann aber auch viel zu anspruchsvoll sein, um von jemandem verlangt zu werden. „Sollte ich mein Bein abschneiden, um jemandem das Leben zu retten?“ „Das ist edel“, antwortet Ask Delphi.

•    Das Obligatorische (wâjib, واجب): Handlungen, die ausgeführt werden müssen und deren Nichtausführung zu Verurteilung und Bestrafung führt. Delphi — zweifellos ein wenig liberal eingestellt — ist etwas zurückhaltend bei der Formulierung positiver Pflichten. Die KI schreibt vor, was nicht zu tun ist, aber nicht so sehr, was zu tun ist. Doch das ist es, was sie grundsätzlich im Sinn hat, wenn sie geradeheraus sagt: „Das ist gut“.

 

Ibn Ruschds Typologie, der auch Ask Delphi über weite Teile zu folgen scheint, ist keine Blaupause für Entscheidungen in moralisch schwierigen Situationen, die einem das eigene Abwägen abnehmen könnte. Auch wenn Ibn Ruschd dies oft vorgeworfen wurde. Sie ermöglicht uns lediglich, eigene und fremde Urteile weiter zu präzisieren, als es durch die holzschnittartige Einteilung in Gut versus Böse möglich ist. Eine Fähigkeit, die besonders in diesen Tagen von großer Bedeutung ist. •

Übersetzt von
Johan Wientgen
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