Gibt es Parallelwelten?
Manche Versionen unseres Selbst verwirklichen wir nie. Sei es, weil uns die Möglichkeiten fehlen oder weil wir uns anders entschieden haben. Doch was passiert mit unseren Leben, die auch vorstellbar gewesen wären? In der Philosophie und auch in der Physik wird eine faszinierende Annahme vertreten: Unsere ungelebten Existenzen existieren. Nur anderswo.
Jedes Leben ist ausgezeichnet durch eine Vielzahl an Verzweigungen. Manche fühlen sich unmittelbar bedeutend an, bei anderen merkt man erst viele Jahre später, wie identitätsformend sie gewesen sind. Ich muss selbst oft an einen bestimmten Moment meines Lebens denken, der mein heutiges Selbst entscheidend geprägt hat: nach Ende der Schulzeit und vor Anfang meines Philosophiestudiums, als ich vor der Entscheidung stand, als Au-pair ein Jahr nach Madrid oder ein Jahr nach Tokio zu ziehen. Ich weiß noch genau, wie es damals war, mich an dieser Gabelung zu befinden, vor mir zwei unscharfe Versionen meiner selbst. Mit meiner Entscheidung würde eine der beiden Versionen realisiert werden, die andere nicht. Ich würde jetzt eine andere Sprache sprechen, andere Beziehungen und Interessen haben, wäre vielleicht nicht nach Deutschland zurückgekommen. Die Formung meines zukünftigen Ichs war nur möglich durch die Aufgabe eines anderen. Bis heute weiß ich nicht, welches der beiden die zufriedenere Version ist.
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