Historische Einflüsse
Um Camus’ Denken besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die historischen Figuren, die ihn beeinflussten – sowohl auf seine Vorbilder als auch auf seine Gegenspieler. Porträts von vier philosophischen Bezugspersonen.
In christlichen Motiven zeigt sich das Leiden des absurden Menschen und auch der Impuls der Revolte
Augustinus
(354–430)
Camus schrieb 1936 seine Diplomarbeit zum Thema „Christliche Metaphysik und Neoplatonismus“, in der er sich mit dem Einfluss von Plotins Denken auf den Kirchenvater Augustinus beschäftigte. Obwohl selbst nie gläubig, war Camus’ eigenes Schreiben von den Ansichten des ebenfalls aus Nordafrika stammenden Augustinus geprägt. Immer wieder greift er, vor allem in seinen literarischen Arbeiten, christliche Motive wie Sünde, Unschuld, Vergebung, Opferung und die Frage nach Selbstbestimmung und dem Bösen auf, der auch Augustinus sein Leben lang intensiv nachging. Besonders deutlich verkörpert sind die Einflüsse in den Romanfiguren Clamence („Der Fall“), der in seiner gespaltenen Natur Augustinus’ eigenen Zweifeln („Bekenntnisse“) ähnelt, und in der des radikal ehrlichen Meursault („Der Fremde“), den Camus den „einzigen Christus“ nennt, „den wir verdienen“.
Das Absurde ist die Grundkonstante des Daseins, von der uns aber kein Gott erlöst
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Die neue Sonderausgabe: Camus
Engagiert, sinnlich, mutig, charismatisch: Es gibt kaum einen Philosophen, der mehr Anziehungskraft besäße als Albert Camus. Zumal in diesen Tagen, in denen sich Camus als der Denker unserer Zeit zeigt. In dieser Sonderausgabe stellen wir Ihnen Werk und Leben des französischen Existenzialisten vor.
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Nachdem Camus bereits in Die Pest Distanz zu den großen Ideen hält, entwickelt er diese Haltung in Der Mensch in der Revolte zu einer philosophischen Kritik. Camus warnt vor einem revolutionären Verständnis der Geschichte. Sein Gegenentwurf ist die Revolte. Philippe Sabot erläutert Camus’ Position.

Michel Onfray: „Camus’ Politik ist immer ethisch“
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Frédéric Worms: „Sartre fokussiert das Subjekt, Camus die ganze Welt“
Es ist das wohl bekannteste Zerwürfnis in der Geschichte der zeitgenössischen Philosophie. Waren Sartre und Camus während des Zweiten Weltkrieges einander noch als Freunde verbunden, wurden sie in der Epoche der Entkolonialisierung und des Kalten Krieges zu Gegnern. Über die philosophischen Streitfragen sprachen wir mit Frédéric Worms.

Der blinde Fleck im Absurden
In seinem Roman Der Fremde hat Albert Camus den Kolonialismus auffällig unthematisiert gelassen. Der algerische Schriftsteller Kamel Daoud hat deshalb einen Gegenroman geschrieben. Doch verrät die Lücke auch etwas über Camus’ Philosophie?

Das Ideal der Intensität
Man kennt es aus Filmen und Romanen: Die Frage nach dem Lohn des Lebens stellt sich typischerweise erst im Rückblick. Als Abrechnung mit sich selbst und der Welt. Wenn das Dasein noch mal vor dem inneren Auge vorbeifliegt, wird biografisch Bilanz gezogen: Hat es sich gelohnt? War es das wert? Würde man alles wieder so machen? Dabei läge es viel näher, die Frage, wofür es sich zu leben lohnt, nicht so lange aufzuschieben, bis es zu spät ist, sondern sie zum Gradmesser von Gegenwart und Zukunft zu machen. Zum einen, weil sie so gegen spätere Reuegefühle imprägniert. Wer sich darüber im Klaren ist, was das Leben wirklich lebenswert macht, wird gegenüber dem melancholischen Konjunktiv des „Hätte ich mal …“ zumindest ein wenig wetterfest. Zum anderen ist die Frage als solche viel dringlicher geworden: In dem Maße, wie traditionelle Bindungssysteme an Einfluss verloren haben, also etwa die Bedeutung von Religion, Nation und Familie geschwunden ist, hat sich der persönliche Sinndruck enorm erhöht. Wofür lohnt es sich, morgens aufzustehen, ja, die Mühen des Lebens überhaupt auf sich zu nehmen? Was genau ist es, das einem auch in schwierigen Zeiten Halt verleiht? Und am Ende wirklich zählt – gezählt haben wird?
Gibt es ein gutes Vergessen?
Ohne Erinnerung wissen wir nicht, wer wir sind. Gerade in Deutschland ist die Pflicht zur Erinnerung ein wesentlicher Teil der nationalen Identität. Aber wie bindend ist diese Pflicht? Kann Vergessen nicht auch ein Segen sein? Auf der phil.COLOGNE 2014 führten Aleida Assmann und Martin Walser den historischen Streit um die Erinnerungskultur fort – und schrieben die Geschichte eines Skandals noch einmal neu