Jean-Philippe Béja: „Xi Jinping wird nicht von seiner radikalen Gesundheitspolitik abrücken“
Warum hält Xi Jinping an der gescheiterten Zero-Covid-Strategie fest? Laut dem Sinologen Jean-Philippe Béja inszeniert sich der chinesische Präsident als starker Mann, um seine dritte Amtszeit vorzubereiten. Das hat es seit Mao Tse-Tung nicht mehr gegeben.
Halten Sie die wirtschaftliche und soziale Krise, die durch die Zero-Covid-19-Strategie in China verursacht wurde, für besorgniserregend?
Jean-Philippe Béja: Xi Jinping wird nicht von seiner Zero-Covid-Strategie abweichen. Sie ist für ihn zur Demonstration der Überlegenheit seines Sozialismus geworden. Die chinesischen Behörden bemühen sich, die Pandemiesituation im Westen als dramatisch zu bezeichnen und rühmen sich damit, dass sie offiziell nur sehr wenige Verluste erlitten haben: etwas weniger als 5.000 Tote bis heute. Für den chinesischen Präsidenten ist dies das zentrale Argument, um auf dem XX. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas, der im Oktober stattfinden soll, eine dritte Amtszeit anzustreben. Doch auch wenn der Widerstand eher neu und schwach ist, ist er für die Zentralmacht besorgniserregend. Die Proteste wurden gefilmt und über soziale Netzwerke verbreitet, bis sie zensiert wurden. Derzeit konzentrieren sich die Proteste auf Shanghai, das die Metropole der mächtigen roten Familien ist, die den ehemaligen Bürgermeister Jiang Zemin unterstützen, der von 1993 bis 2003 Präsident der Volksrepublik war. Während seiner zweiten Amtszeit hat Xi Jinping viel dafür getan, den Einfluss dieser „Shanghai-Clique“ einzudämmen, indem er sie unter anderem aus den Schlüsselpositionen der Metropole vertrieb und sie wegen Korruption verfolgte. Wir haben keine Beweise für all dies, zumal die Funktionsweise der Partei immer undurchsichtiger wird. Aber es ist möglich, dass der soziale Zorn ein Zeichen dafür ist, dass Fraktionen innerhalb der Einheitspartei versuchen, die steigenden Fallzahlen zu nutzen, um Xi Jinping zu diskreditieren.
Viele Fabriken wurden aufgrund der chinesischen Gesundheitsstrategie stillgelegt, insbesondere in Shenzhen. Kann man damit rechnen, dass wirtschaftliche Kräfte aufbegehren, um den derzeitigen chinesischen Präsidenten loszuwerden?
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo