Netzlese
Fünf Klicktipps für den Sonntag. Diesmal mit John Rawls' Urtext zur Gerechtigkeit, den US-Republikanern als nationale Peinlichkeit, einer Bildungsutopie, der bedürfnisorientierten Gesellschaft sowie philosophischen Dämonen.
◉ Gustav Seibt beschäftigt sich in der Süddeutschen Zeitung mit John Rawls' 1958 erschienenem Essay Gerechtigkeit als Fairness, der die Urform seiner später ausformulierten Theorie der Gerechtigkeit bildet und nun neu auf Deutsch aufgelegt wurde. Dies sei der philosophische Text der Stunde, denn mit Rawls ließe sich nicht zuletzt gegen all jene argumentieren, die in der Pandemie utilitaristische Planspiele anstellen, wonach das Funktionieren der Wirtschaft stärker wiege als der Schutz von Risikogruppen.
◉ Die in Harvard lehrende Historikerin Jill Lepore argumentiert im Interview mit der Frankfurter Rundschau, warum die Vereinigten Staaten schon seit langem ein tief gespaltenes Land sind, weshalb sowohl Linke als auch Rechte in den letzten Jahrzehnten die Identitätspolitik für sich entdeckt haben und weshalb sie die Republikanische Partei für eine „nationale Peinlichkeit“ hält.
◉ In einem Feature auf SWR2 widmet sich der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen dem Phänomen von Lügen und Bullshit in Zeiten der Pandemie. Dabei formuliert er auch die „Bildungsutopie“, wonach sich die digitale in eine redaktionelle Gesellschaft entwickelt. Letztere schließe u.a. auch ein Schulfach für Medien- und Öffentlichkeitskompetenz an der Schnittstelle von „philosophischer Ethik, Sozialpsychologie, Medienwissenschaft und Informatik“ ein.
◉ Im Gespräch mit dem Standard berichtet die Philosophin Eva von Redecker, wie die Entscheidung, auf eine „permanente Baustelle“ in Brandenburg zu ziehen, ihr Denken über Eigentumsfragen angeregt hat und erläutert zudem, warum Einbunkerung kein Mittel gegen den Klimawandel sein kann und weshalb sie für eine bedürfnisorientierte Gesellschaft plädiert.
◉ In Rekurs auf ein jüngst erschienenes Buch der Wissenschaftshistorikerin Jimena Canales geht Casey Gep im New Yorker dem Phänomen nach, dass Dämonen von einem theologischen Konzept zu einer Metapher in philosophischen und naturwissenschaftlichen Gedankenexperimenten wurden – etwa bei Descartes, Darwin, Maxwell, Laplace oder Searle.