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Bild: Stephanie Harlacher (Unsplash)

Kolumne

Von Tieren lernen: Der Krake

Florian Werner veröffentlicht am 15 August 2018 3 min

Was den Menschen vom Tier unterscheidet? Anstatt weiter nach Differenzen zu suchen, konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf philosophisch wegweisende Gemeinsamkeiten. Diesmal: der Krake und die Uneigentlichkeit des Seins.

 

Sie heften ihre Saugnäpfe an den Schiffsrumpf, dann umschlingen sie mit ihren Fangarmen Mast und Mannschaft und ziehen diese erbarmungslos in die Tiefe, um sie mit ihrem Papageienschnabel zu zerfleischen … Den Kraken werden seit Jahrtausenden allerhand fantastische Eigenschaften angedichtet – aber an die Wirklichkeit reicht solches Seemannsgarn nicht einmal ansatzweise heran. Kraken, wegen ihrer acht Füße auch Oktopusse genannt, bauen am Meeresgrund ganze Städte. Sie führen Fressfeinde mit gezielten Melaninausstößen – ihrer viel beschworenen „Tinte“ – in die Irre. Die Männchen bilden einen Arm zur Penisprothese aus und bugsieren damit ihre Samen in die Mantelhöhle des Weibchens. Oktopusse verfügen über ein dezentrales Gehirn, das ihnen erlaubt, mit ihren acht Gliedmaßen unabhängig voneinander zu denken; ja, manche Orakelkraken können angeblich sogar die Ergebnisse von Fußballweltmeisterschaftsspielen vorhersagen. Mit einem Wort: Kraken sind fantastischer, als sie ein sturzbetrunkener Seemann erträumen könnte.

Besonders faszinierend ist ihre Fähigkeit zur Camouflage: Dank Pigmentzellen in ihrer Haut können Kraken innerhalb von Musterung wechseln. Kleinere Männchen machen sich diese Fähigkeit zum Beispiel zunutze, um unter den Augen dominanterer Tiere beim anderen Geschlecht zum Zug zu kommen: Sie nehmen die Färbung eines Weibchens an, damit der Alphakrake sie nicht als Konkurrent wahrnimmt – kaum wendet er ihnen den Rücken zu, umschlingen sie mit sieben zärtlichen Armen das nächstbeste Weibchen (der achte Arm wird anderweitig gebraucht).

 

Submarines Crossdressing

 

Diese Travestie-Strategie erinnert an die Ästhetik des Camp, wie sie die amerikanische Autorin Susan Sontag Mitte der 1960er-Jahre beschrieb. Camp unterscheidet nicht zwischen den Wellenkämmen der Hochkultur und den Tiefseegräben des Kitschs, sondern vereint alle Phänomene gleichermaßen, solange sie nur angenehm exaltiert, versponnen, übergeschnappt sind. „Allen Gegenständen und Personen, die Camp sind“, schreibt Sontag, sei „ein starkes Element des Trickhaften eigen“. Dieses Element zeigt sich vor allem in der äußeren Form, im Stil, Dekor, der Verkleidung – und hier nicht zuletzt im Crossdressing, dem Anlegen von Kleidungsstücken, die traditionell mit dem anderen Geschlecht assoziiert werden. „Der Androgyn ist ohne Zweifel eines der großen Leitbilder der Camp-Sehweise“, so Sontag: „Das Schönste am männlichen Mann ist etwas Weibliches.“

Fühlt sich das Krakenweibchen also womöglich deshalb zu dem feminin gefärbten Camp-Kraken hingezogen, weil dieser so offensiv seine weibliche Seite zur Schau stellt? Oder weiß es vor allem seine listige, odysseushaft anmutende Trickhaftigkeit zu schätzen? Wir wissen nicht, was in dem wulstigen Tintenfischkopf vor sich geht – fest steht: Der Krake, egal ob männlich oder weiblich, ist das Wappentier des Camp. Mit seiner exaltierten Färbung und seinen sich mal zu suggestiven Schlangenlinien, dann wieder zu ornamentalen Schnörkeln rollenden Armen sieht er aus wie von einem Künstler des Jugendstils erdacht – jener Epoche, die für Sontag den Höhepunkt der Campiness darstellt.

Damit entlarvt der Oktopus nicht nur unser geschlechtliches, sondern unser gesamtes soziales Dasein als großes Rollenspiel: als Theaterstück mit wechselnden Identitäten und Masken. Camp, so Susan Sontag, sei die „Erlebnisweise der gescheiterten Ernsthaftigkeit, der Theatralisierung der Erfahrung.“ Der Krake lehrt uns, die Uneigentlichkeit aller Menschen, Dinge und Phänomene zu erkennen. Er umschlingt jeden Begriff mit seinen saugnapfbewehrten Armen und malt Anführungszeichen darum: Ich bin gar kein Krake, sondern ein „Krake“; ich bin gar kein Mann, sondern ein „Mann“. Was auch immer wir tun und verkörpern, schreibt er mit seiner Tinte ins Meer, ist Scharade. Nichts an unserem Dasein ist natürlich – selbst wenn wir vermeintlich Teil der Natur sind wie ein Tintenfisch, selbst wenn wir glauben, uns gänzlich unverstellt zu verhalten, verkörpern wir doch bloß eine Rolle. Oder wie es Oscar Wilde, der hervorragendste Aphorist des Camp, einmal formulierte: „Natürlich sein ist eine Pose, die sich sehr schwer durchhalten lässt.“ Der Oktopus ist ein androgyner Dandy. •

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