Kollektive Absage
Das Dagegensein hat Konjunktur. Immer mehr Menschen lehnen einstmalige Selbstverständlichkeiten wie Arbeiten oder Kinderkriegen ab. Doch was ist das für ein Nein, das sich in diesen Phänomenen äußert?
Die Welt schien frei von Feinden und Fremden und voller Möglichkeiten zu Wirtschaftswachstum, Selbstoptimierung und Konsum, die es zu ergreifen galt. Die Globalisierung versprach weltweite Investitions- und Tourismusgelegenheiten, die Digitalisierung ungeahnte Selbstdarstellungsmöglichkeiten und ein liberaler Datingmarkt unzählige Partner. Wir alle, so lautete die frohe Botschaft der Werbung, können die Stars unseres eigenen Lebens werden. Die ikonischen Bilder dieser Zeit hat der Mode- und Promifotograf Terry Richardson geliefert: Seine überbelichteten Schnappschüsse zeigen ihn selbst mit Berühmtheiten wie Barack Obama, Miley Cyrus oder Paris Hilton vor weißem Hintergrund, die Frauen in pornografischen Posen und spärlich bekleidet. Zentrales Wiedererkennungsmerkmal der Fotos: das überdrehte Grinsen und der nach oben gereckte Daumen der Fotografierten. Die Botschaft der Bilder lautet: I like! Es – was auch immer es ist – ist geil! Macht weiter und habt Spaß dabei!
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Am anderen Ende der Welt spielt sich derzeit ein Drama ab. In Myanmar lehnen sich die Bürger gegen die Junta auf und greifen zu den Waffen. Für die Mitbegründerin der postkolonialen Theorie Gayatri Spivak ist es unsere kollektive Verantwortung, auf die Geschehnisse zu reagieren und den Widerständigen eine Stimme zu geben.

Mein Nein
Auf je eigene Weise lehnen Mariya Merkusheva, Larissa Morgenstern, Lu Metz und Florian Heck etwas ab, das für andere zentral zum Leben gehört: Arbeit, Kinder, Alkohol und Sex. Ihre Beweggründe unterscheiden sich, die Bestimmtheit ihres Neins vereint sie.

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Sue Grand: „Als Analytikerin kümmere ich mich um die kulturellen und historischen Wunden meines Patienten“
Kollektive historische Traumata hinterlassen meist gravierende Spuren, die auch nachfolgende Generationen noch zeichnen. Wie werden solche Traumata von Eltern an ihre Kinder weitergegeben? Ein Gespräch mit der Psychoanalytikerin Sue Grand über kollektive Wunden, gegenseitige Sorge und soziale Gerechtigkeit.

Kommentare
Vielleicht ist die öffentliche Bewertung von "lying flat" sehr positiv beeinflussbar, indem man es als respektable, positive Aktivität beschreibt. Auch kann man damit vielleicht vielerlei Adaptionen respektabel und positiv halten.
In einer menschlichen Gemeinschaft der Frühzeit waren nach meinem Verständnis viele Aktivitäten für das Dasein wichtig. Sie zu lernen, sie zu erhalten und sie weiterzugeben war danach ein wichtiger Teil des Daseins. Eine erst auf den zweiten Blick wichtige Aktivität war wohl das experimentelle Sein lassen von vielen Aktivitäten. Diese Aktivität lehrt den Akteur und das Umfeld, was eine wichtige Aktivität von einer weniger wichtigen unterscheidet, und damit, welche Aktivität später sinnvoll aufgenommen wird. (Solche Erfahrungen sind vielleicht ein Grund, warum manche Hippies besonders erfolgreich wurden.)
Damit "sein lassen" persönlich und gesellschaftlich besser akzeptiert bleibt, schätze ich, dass es vielleicht hilft, eher vitale Befreiungen zu leisten und weniger vitale Aktivitäten experimentell sein zu lassen.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit zu kommentieren.