Das Erlebnis, ich zu sein
Wir stehen heute unter enormem Druck, uns von anderen zu unterscheiden. Dabei müssten wir eigentlich nur gelassen auf eine Assoziation warten, um uns als Individuen zu erleben.
Ich sehe ein Meerschweinchen und muss an meine Tante Elisabeth denken. Nimmt man dieses Beispiel als den typischen Fall einer Assoziation, lassen sich an ihm wesentliche Merkmale aller Assoziationen finden: Sie sind Gedankengänge, Episoden im Bewusstseinsstrom, weil sich ein früherer (Ich sehe das Meerschweinchen) von einem späteren Gedanken (Ich erinnere mich an Elisabeth) unterscheiden lässt – und beide als einzelne vom Assoziierenden erlebt werden. Was nicht besagt, dass deshalb jede Gedankenabfolge mit eigenständigen Gliedern eine Assoziation ist. Im Gegenteil, das Ziel einer Phänomenologie der Assoziation besteht darin, eine bestimmte Gedankenabfolge aufgrund ihrer charakteristischen Erlebnisqualität als Assoziation zu bestimmen.
Zu assoziieren fühlt sich auf eine besondere Weise an – und eine solche wesentliche Erlebnisqualität ist, dass der spätere Gedanke, also im Beispiel die geweckte Erinnerung an die Tante, für den Assoziierenden als ein ungewolltes Widerfahrnis bewusst wird. Assoziationen werden erlebt, wenn es mir ohne jede Absicht passiert, dass ich mich angesichts von etwas an etwas anderes erinnern muss. Wie ein spontaner Einfall stellt sich die Erinnerung von selbst ein – ist aber kein bloßer Einfall. Denn Einfälle hat man, ohne dass man weiß, warum man sie hat. Ständig muss man plötzlich an etwas denken, ohne es gewollt zu haben. Das Erlebnis einer Assoziation ist andersartig; das Faszinierende an ihm ist: Dem Assoziierenden wird der Grund bewusst, warum sich bei ihm ein Gedanke ohne Zutun einstellt. Es gibt ein Weil der Assoziation. Auf das Beispiel bezogen heißt das: Ich erlebe, dass ich an meine Tante Elisabeth denken muss, weil ich gerade das Meerschweinchen gesehen habe.
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