Die Kunst, immer Recht zu behalten: Kniff Nr. 14
Hitzige Debatten am Familientisch sind zu Weihnachten keine Seltenheit. Was es da braucht, ist argumentatives Geschick. Die Kunst ist schließlich, nicht nur Recht zu haben, sondern die anderen auch davon zu überzeugen. Unser Adventskalender hält 24 Kniffe bereit, die schon die großen Denker für sich nutzten. Heute: Verwenden Sie Syllogismen!
Das Verfahren
Seit Aristoteles ist die logische Schlussfolgerung namens Syllogismus stets nach demselben Muster aufgebaut. Aus zwei Prämissen zieht man eine Schlussfolgerung. (1. Alle Menschen sind sterblich. 2. Sokrates ist ein Mensch. 3. Sokrates ist sterblich.) Es gibt kaum eine Argumentationsstrategie, um seinen Scharfsinn eindrucksvoller zu demonstrieren. Nehmen wir an, Sie halten nichts davon, an karitative Einrichtungen zu spenden. Ihr Gegner wirft Ihnen vor, Sie hätten kein soziales Gewissen. Sie parieren mit den Worten: „1. Die karitativen Einrichtungen benötigen Geld, weil sie keine staatliche Unterstützung erhalten. 2. Ich zahle Steuern an den Staat, zu dessen Aufgaben unter anderem gehört, karitative Einrichtungen zu unterstützen. 3. Also: Gerade weil ich möchte, dass der Staat seinen Verpflichtungen gegenüber den Wohltätigkeitsorganisationen nachkommt, spende ich Letzteren kein Geld.“ Vergessen Sie keinesfalls, das Wörtchen „also“ zu betonen. Noch effektvoller ist es, wenn Sie die lateinische Entsprechung „ergo“ gebrauchen. Durch den Syllogismus bringen Sie Strenge und Entschlossenheit in Ihre Rede. Philosophen bedienen sich dieser Argumentationsweise so gerne, weil damit weltbewegende Thesen in eine bündige Formel gepackt werden können. So hat etwa Michail A. Bakunin, der Cheftheoretiker des Anarchismus, seinen Atheismus durch drei kurze Sätze untermauert: „Wenn Gott existiert, ist der Mensch ein Sklave. Der Mensch kann und soll aber frei sein. Also: Gott existiert nicht.“ (Gott und der Staat, 1882)
Die Abwehr
Von insgesamt 256 möglichen Syllogismus-Spielarten, sind bloß 24 gültig. Bei den restlichen handelt es sich um sophistische Augenwischerei. Und dazu zählt auch der Anti-Gottesbeweis Bakunins. Denn die Behauptung seiner ersten Prämisse liegt keineswegs auf der Hand. Wieso sollte die Existenz Gottes notwendig mit dem Sklavenstatus oder der Unfreiheit des Menschen einhergehen? Und selbst wenn Ihr Debattengegner mit einem gültigen Syllogismus aufwartet, dürfte das beim Publikum wenig Eindruck machen. „Auch ein guter Syllogismus“, meinte 1930 der französische Schriftsteller Jean Paulhan, „konnte noch nie jemanden wirklich überzeugen.“ •