Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
Tag - Body

Bild: picture alliance / abaca | Roses Nicolas/ABACA

Interview

Jean-Luc Nancy: „Freunde sind Geister“

Jean-Luc Nancy, im Interview mit Octave Larmagnac-Matheron veröffentlicht am 26 August 2021 5 min

Jean-Luc Nancy, einer der wichtigsten Philosophen der Gegenwart, ist am Montag im Alter von 81 Jahren verstorben. In diesem Sommer sprach er mit uns in einem seiner letzten öffentlichen Interviews über Freundschaft. Wir veröffentlichen das Gespräch hier erstmals in deutscher Übersetzung.

 

Monsieur Nancy, ihr Werdegang ist von zahlreichen Freundschaften geprägt gewesen, angefangen von der mit Philippe Lacoue-Labarthe und Jacques Derrida. Beginnt die Philosophie mit der Freundschaft?

Vielleicht muss man sagen, dass die Freundschaft im Denken liegt – im Denken und nicht in den Sorgen, dem Nutzen usw. Etwas zu denken, hat nur Sinn in der Nähe. Sogar mit einem Stein: Man muss die Person oder die Sache berühren, sie spüren.

Kürzlich haben Sie die Herausgabe eines Werkes in Gedenken an Bernard Stiegler koordiniert. Warum ist es so wichtig und so schwierig, über den verstorbenen Freund zu sprechen?

Es gibt da eine unüberschreitbare Schwierigkeit. Der Freund ist nicht mehr da, das ist alles. Aber dieses „alles“ ist auch eine großartige Präsenz. Ich höre seine Stimme, spüre seine Gegenwart. Es gibt Unauslöschliches. Der abwesende Andere betont seine Gegenwärtigkeit: Hier ist sein Lachen, hier ist seine Melancholie. Ich lebe heute umgeben von toten und gegenwärtigen Freunden. Ich höre ihren Tonfall und wie sie mir sagen: „Also, du möchtest gern wissen, was wir dir sagen würden, du ahnst es ein wenig, aber nur sehr wenig ... Wir sind da, ein paar Schritte hinter dir.“ Und ich: „Habt ihr Covid-19 gesehen ...“ Sie: „Ja, natürlich, und wir wissen selbst nicht, was wir darüber denken sollen.“ Und ich: „Ja, aber ihr habt euch doch schon näher mit der Idee von Immunität beschäftigt ...“ Und sie: „Das stimmt, aber das konnten wir uns nicht vorstellen ...“ So verläuft die Geschichte: Es geschieht, und in diesem Kommen geht man von dannen.

Der Tod des Freundes ist in diesen immer schon eingeschrieben. Ist diese Distanz des Anderen für Sie kein Hindernis für die Freundschaft?

Das, was sich mir am Anderen entzieht, ist das, was aus ihm einen Freund macht. Vorausgesetzt, das dieses Sich-Entziehende da ist zwischen uns, weder enthüllt noch versteckt. Wenn es sich verbirgt, weil es weiß, dass es einen Konflikt eröffnen würde, hat es die Freundschaft schon verraten. Ich hatte einen Freund, der nach und nach so besorgt um die „Nation“, die „Souveränität“ und allerlei Formen der Verschwörung geworden ist, dass alles am Ende nur noch durch dieses Prisma gesehen wurde. Ich habe nicht verstanden, wie sich das zwischen uns hat einschleichen können. Am Ende ist es zum Bruch gekommen! Seine Abwesenheit war für mich nicht die seines möglichen Todes – es war im Gegenteil ein Block von Gewissheiten, der keine Fremdheit zuließ. Was sich mir am anderen entzieht, ist er, ist er selbst! Der Unidentifizierbare. Er ist mein Freund, denn was sich zwischen uns abspielt, geschieht zwischen unseren Unidentitäten. Nicht weil X gelehrt oder weil Y lustig ist, sind das Freunde. Dasselbe trifft für die Liebe zu. Wir lieben weder für die Schönheit noch für den Reichtum. Es gibt dennoch einen Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft: X ist ein Freund als diese Persönlichkeit, dieser Charakter, dieses eigene Leben, während Y, wenn ich sie oder ihn liebe, konturlos, grenzenlos ist. Der Unterschied ist winzig, nicht immer offensichtlich, doch er ist da.

Kann also die Freundschaft, wenn sie an dem hängt, was sich uns am Anderen entzieht, in Abwesenheit der Körper weitergehen?

Ich würde das anders sagen: Freunde, ob tot oder lebendig, sind Geister. Weder Phantome noch Gespenster – ein Geist weht auf seine Weise. Und darum können wir übrigens auch für jemand Unbekannten Freundschaft hegen. Ich denke da an viele Leute, an jene, denen ich begegnet bin, jene, denen ich nicht begegnet bin, manchmal an tote: Dschingis Khan, Charon, meine Urgroßmutter mütterlicherseits, an irgendwelche XY, die unbestattet in den uns umspülenden Chaosmos übergegangen sind und noch immer übergehen. Geister, Hauch und Säuseln von Milliarden Ideen, Affekten, Stilen. Annick, Étienne, Eulalie, Fatoumata, Kiyo ... die Eigennamen bilden selbst schon eine Galaxie.

Ist das eine Form von Brüderlichkeit?

Die Brüderlichkeit ist das grundlose Zusammensein. Die Eltern sind kein Daseinsgrund. Der einzige Grund des Zusammenseins besteht darin, dass wir in jeder Hinsicht miteinander verbunden sind (biologisch, psychisch, sprachlich usw.). Es gibt aber keine manifeste Notwendigkeit zum Zusammensein, es sei denn, eine gewisse Notwendigkeit zur Formationsbildung. Jeder empfindet sich inmitten der wechselseitigen Abhängigkeit als unabhängig. Weil man ja aber bei einigen anfangen muss, haben die Menschen trotzdem versucht, daraus eine Art – wohlweislich fragilen – Grund zu machen. In allen Mythologien, in denen sie zum Zuge kommt, ist die Brüderlichkeit ambivalent: Sie bezeichnet die ganze Mehrdeutigkeit der Beziehungen zwischen „Selben“ und „Anderen“. Die Gemeinschaft evoziert genau das, was sich aus sich selbst heraus gründen würde, jenseits aller Brüderlichkeit. Die Freundschaft bezeichnet ihrerseits die von der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit losgelöste Beziehung: die Beziehung, die jeder Gruppe, sogar jeder Begegnung vorausgeht – und die gleichsam der Sprache inhärent ist –, und zugleich das, was in einer organisierten Kollektivität auf das schlichte Akzeptieren der Gruppe durch alle folgen kann, indem es andere Verbindungen eröffnet. Wie jene der Liebe, sind diese Verbindungen untrennbar von ihrer Negativität: der Feindseligkeit, dem Ressentiment, dem Hass. Eine machtvolle Ambivalenz liegt all unseren Beziehungen zugrunde. Sie hat mit der Tatsache zu tun, dass wir alle „dieselben“ sind, und dass das, was uns anziehen kann, uns auch abzustoßen vermag.

Es gibt für Sie also einen politischen Sinn der Freundschaft?

Das, was wir „politisch“ nennen, ist im Prinzip dazu geschaffen, die Ambivalenz unserer „ungeselligen Geselligkeit“ (Kant) zu organisieren und auszugleichen. Dieser Ausgleich verlangt, dass alle in einem Verhältnis zu einem „Dritten“ stehen, von dem angenommen wird, dass es das bloße Kräfteverhältnis ebenso wie die einfachen Anziehungskräfte transzendiert oder zumindest übersteigt. Man hat in dieser Hinsicht großen Erfindungsreichtum entwickelt: den Stadtstaat, das Reich, die Staatsdomäne, die Republik usw. Jedes Mal erfand man ein Drittes, eine „Macht“. Heute liegen die Dinge anders: Das Spiel der Kräfte wird gänzlich von einer techno-ökonomischen Maschine beherrscht, die als Einzige das Spiel regelt, kontrolliert, entfesselt. In gewissem Sinn haben die Freundschafts- oder Feindschaftsbeziehungen, die noch immer existieren, keine große Bedeutung, weil das, was regiert, keine Macht [pouvoir] mehr ist, sondern eine Kraft [puissance]. Ein Zeichen für diesen Zustand besteht darin, dass die Philosophen oder Denker heute über die Welt zerstreut sind. Dass sie umherirren, würde ich sogar sagen. Wir diskutieren über „Positionen“ oder „Lösungen“, über unsere „Lage“, aber die ist obskur, ungewiss. Natürlich gibt es Affinitäten (und Feindseligkeiten), doch alles ist an die Kräfteverhältnisse gebunden. „Freundschaft“ und „Brüderlichkeit“ sind alte Wörter geworden, ohne Denkmacht. Selbstverständlich habe ich Freunde, doch die Freundschaft ist „privat“ geworden, sie hat kein politisches Echo mehr. •

Übersetzung: Till Bardoux

 

Jean-Luc Nancy gehörte zu den einflussreichsten Philosophen der Gegenwart. Der Denker, der u.a. in Straßburg, Berkeley und Berlin lehrte, stand dabei in der Traditionslinie der Dekonstruktion und Phänomenologie. Zu den wichtigsten seiner zahlreichen Veröffentlichungen gehörte u.a. „Die undarstellbare Gemeinschaft“ (Edition Patricia Schwarz, 1988), „Der Eindringling – Das fremde Herz“ (Merve, 2000) und „singulär plural sein“ (Diaphanes, 2005).

  • E-Mail
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp
Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Gespräch
10 min

Stanley Cavell: „Der Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung motiviert das Denken“

Juliette Cerf 22 Juni 2018

Stanley Cavell gehörte zu den einflussreichsten amerikanischen Philosophen der Gegenwart. Abseits von den traditionellen Wegen beruht sein Werk auf den Arbeiten Wittgensteins, dem Theater Shakespeares und Hollywoodkomödien. Als Suche nach dem Alltäglichen schlägt seine Philosophie eine Neubegründung des Skeptizismus vor, der sich mehr an der Erfahrung als an der Erkenntnis orientiert. Am 19.06.2018 ist Stanley Cavell im Alter von 91 Jahren verstorben. Aus diesem traurigen Anlass veröffentlichen wir dieses 2012 geführte Interview das erste Mal in deutscher Übersetzung.

Stanley Cavell: „Der Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung motiviert das Denken“

Impulse
7 min

Das philosophische ABC des Jean-Luc Godard

Octave Larmagnac-Matheron 14 September 2022

Der Filmemacher Jean-Luc Godard ist am 13. September gestorben. Er war ein produktiver und komplexer Autorenfilmer, dem wir einige der größten französischen Filme verdanken (Außer Atem, Die Verachtung, Elf Uhr nachts). Er hatte eine enge Beziehung zur Philosophie, einer Disziplin, von der er manchmal sagte, dass er „nichts von ihr verstehe“, die aber sein Werk immer wieder nährte. Eine Auswahl seiner Zitate im Stil des ABCs von Gilles Deleuze, den Godard sehr mochte.

Das philosophische ABC des Jean-Luc Godard

Gespräch
22 min

Jean-Luc Mélenchon: „Die neue Linke darf den Menschen nicht vorschreiben, was sie mit ihrer freien Zeit tun sollen!”

Michel Eltchaninoff und Marius Chambrun 09 März 2022

Überraschend gewann die linke Neue Volksfront gestern die zweite Runde der Parlamentswahl in Frankreich. Doch was will die Linke unter Jean-Luc Mélenchon? 2022 sprach er mit dem Philosoph Michaël Fœssel über die Relevanz des Vergnügens.

Jean-Luc Mélenchon: „Die neue Linke darf den Menschen nicht vorschreiben, was sie mit ihrer freien Zeit tun sollen!”

Artikel
1 min

Die neue Sonderausgabe: Der Schlaf. Das unbekannte Drittel unseres Lebens

Philomag Redaktion 22 September 2023

Philosophen von Heraklit über Hegel bis zu Jean-Luc Nancy haben die vielschichtige Bedeutung des Schlafs ergründet. Der Schlaf, so zeigt dieses Heft, ist das unabdingbare Andere von Bewusstsein, Vernunft und Willenskraft, die ohne Gegengewicht unerträglich und irrational werden. Der Schlaf erhält das Lebendige, lässt uns lernen und träumen. Zeit, das unbekannte Drittel unserer Existenz zu entdecken.

Hier geht's zur umfangreichen Heftvorschau!

Die neue Sonderausgabe: Der Schlaf. Das unbekannte Drittel unseres Lebens

Impulse
5 min

Daft Punk: Letztendlich doch menschlich?

Nicolas Gastineau 26 Februar 2021

Am Montag löste sich das ikonische Elektro-Duo Daft Punk auf. Kein Wunder, leben wir doch nun in genau der Welt, die die beiden Robotermusiker die letzten 28 Jahren in Ihren Tracks und Videos prophezeiten.

Daft Punk: Letztendlich doch menschlich?

Artikel
2 min

Was ist wahre Freundschaft?

Lia Nordmann 12 November 2020

Es ist bekanntlich nicht wichtig, viele Freunde zu haben, solange es die richtigen Freunde sind. Doch woran erkennt man die? Drei Antworten von Michel de Montaigne, Immanuel Kant und Hannah Arendt.

Was ist wahre Freundschaft?

Artikel
1 min

Die neue Sonderausgabe: Freundschaft

Philomag Redaktion 19 Juli 2024

Die Kraft der Freundschaft ist zeitlos. Doch gerade in Phasen des Umbruchs gewinnt sie besondere Bedeutung. Freundschaft stabilisiert, wenn alles andere in Bewegung gerät.

Hier geht's zur umfangreichen Heftvorschau!

Die neue Sonderausgabe: Freundschaft

Gespräch
10 min

Nancy Fraser: „Wir brauchen einen besseren Populismus“

Lisa Friedrich 30 September 2021

Nancy Fraser, eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart, erzählt, wie sie Kritische Theorie mit Feminismus verbindet und wie kritische Gesellschaftsanalyse heute mit Aktivismus zusammengehen kann. Und warum progressive Strömungen nicht isoliert voneinander funktionieren können.

Nancy Fraser: „Wir brauchen einen besseren Populismus“

Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!
Anzeige
Tag - Body

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. Jean-Luc Nancy: „Freunde sind Geister“
Philosophie Magazin Nr.Nr. 84 - September 2025
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Oktober/ November Nr. 84
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

Mit unseren Denkanstößen philosophische Ideen regelmäßig in Ihrem Postfach

Jetzt anmelden!