Pflanzen als Machtmodelle
Bilder strukturieren sowohl unser Denken als auch unsere gesellschaftlichen Organisationsformen. Besonders wirkmächtig waren dabei seit jeher Modelle, die der Vegetation entlehnt wurden.
Baum
Seit der Antike steht der Baum – mit vertikaler Wuchsrichtung, Wurzeln, Stamm und Verzweigungen – als Bild von Wissens- und Herrschaftssystemen. Kennzeichnend ist sein hierarchischer Aufbau, in dem ein Ursprung beziehungsweise Fundament Vorrang hat (z. B. Gott). Aus diesem Ursprung ergeben sich durch Verzweigungen immer feinere Differenzierungen. Neben der Hierarchie sind die dichotomischen Gegensätze (z. B. Mann/Frau, Natur/Kultur) zentrales Merkmal des Baummodells – und Angriffspunkt der postmodernen Kritiker. Besonders wirkmächtig wurde ein aus der platonisch-aristotelischen Tradition stammendes begriffliches System, das im Mittelalter als „Arbor porphyriana“ bezeichnet wurde. Hier ist die abstrakteste Kategorie (z. B. Substanz) ganz oben positioniert, und über eine Reihe immer konkreter werdender dualistischer Verzweigungen (z. B. körperlich/nichtkörperlich) gelangt man zu den konkreten Individuen (z. B. Platon/Sokrates). Auch in Neuzeit und Moderne bleibt das Baummodell einflussreich: Denis Diderot nutzt es für die Gliederung seiner Encyclopédie, Darwin für die Darstellung seiner Evolutionstheorie. Seine gesellschaftliche Entsprechung findet das Baummodell in Organisationsformen, in denen die „alteingesessenen, angestammten und verwurzelten Klassen“ (Deleuze/ Guattari) dominieren, oder aber in Diktaturen, in denen ein einziger Herrscher über allem steht.
Zum Weiterlesen: Platon, Sophistes (Suhrkamp, 2007)
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