Savonarolas Erbin?
Die Historikerin Cecilie Hollberg hat ihre Wahlheimat Florenz mit einer „Hure“ verglichen, die sich an Touristen verkauft, und damit einen Skandal ausgelöst. Ihre Wortwahl erinnert an den Bußprediger Savonarola, weist aber in eine andere Richtung.
Museen haben nicht nur den Auftrag, ihre Exponate zu pflegen, sondern auch den Geist der Stadt. Als Welterbekammern (Louvre), Zeitgeistometer (MoMA), architektonische Juwelen (Guggenheim-Museum in Bilbao) oder Debattenforen (Hygienemuseum in Dresden) sind sie so etwas wie der diskursive Arm der Kunst. Von dieser Funktion hat Cecilie Hollberg, Direktorin der Galleria dell’Accademia in Florenz, Gebrauch gemacht, als sie in einem Interview den Zustand ihrer Stadt beklagte: Florenz, das von Touristen überlaufen wird, unter der Last der Souvenirshops ächzt und für Einheimische kaum noch zu bezahlen ist, betreibe einen Ausverkauf seiner schönen Stellen, letztlich seiner Seele. Hollberg warnt: „Wenn eine Stadt erst einmal zur Hure geworden ist, ist es für sie schwierig, wieder Jungfrau zu werden. Wenn jetzt nicht die absolute Bremse gezogen wird, gibt es keine Hoffnung mehr.“
Fegefeuer der Eitelkeiten
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Kommentare
Ich kann mir schon vorstellen, dass zu viele Touristen ein Problem sein können. Vielleicht hilft Umverteilung vom Tourismus durch höhere Abgaben zu anderen wirtschaftlichen Standbeinen und gesellschaftlichen Werten, welche das Leben in der Stadt wieder attraktiver machen. AirBnB zum Beispiel wird ja an vielen Orten der Welt zunehmend reguliert, damit solche Orte lebenswert bleiben, was auch für die "Seele" einer Stadt vital sein kann.
Die Politik dafür wäre, so stell ich mir das vor, einfacher zu organisieren, wenn Italien ein Zweiparteiensystem mit zwei guten Parteikonzepten hätte.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.